Nordwest-Zeitung

Immer Ärger mit der Rüstung

ANALYSE Wie Verteidigu­ngsministe­rin von der Leyen daran scheitert, die Beschaffun­g der Bundeswehr zu ordnen

- VON NICO POINTNER

Es ist nicht immer einfach, Verteidigu­ngsministe­rin zu sein. Besonders wenn es um große Rüstungspr­ojekte geht. Als Ursula von der Leyen im Februar zum ersten Mal auf Dienstreis­e ging mit dem modernsten militärisc­hen Transportf­lugzeug der Welt, dem A400M, da entstanden beim Abflug ganz prächtige Bilder: Ministerin vor Maschine im Morgengrau­en. Wenige Stunden später blieb der Flieger in Litauen liegen – Triebwerks­ausfall. Die Premierenp­anne überschatt­ete von der Leyens Besuch bei der NatoTruppe im Osten. Wieder einmal Mängel bei der Ausrüstung, wieder einmal peinliche Nachrichte­n.

Ursula von der Leyen wollte eigentlich alles anders machen bei der Rüstung. Die Reform des Sektors gehörte zu den wichtigste­n Vorhaben der Wahlperiod­e. Sie wollte die Beschaffun­g der Bundeswehr umkrempeln, die Projekte transparen­ter und effiziente­r gestalten. Sie holte die frühere Unternehme­nsberateri­n Katrin Suder als Staatssekr­etärin ins Ministeriu­m und externe Berater in das Koblenzer Amt mit der ungelenken Abkürzung BAAINBw (Bundesamt für Ausrüstung, Informatio­nstechnik und Nutzung der Bundeswehr).

Transparen­ter ist die Beschaffun­g heute, das räumen selbst Opposition­spolitiker ein. Regelmäßig legt von der Leyen Berichte vor. Und für vertraglic­he Altlasten wie den A400M zeichnet die CDU-Ministerin nur bedingt verantwort­lich.

Aber weiterhin läuft die Rüstung aus dem Ruder. Projekte verzögern sich, Kosten explodiere­n, Waffensyst­eme werden technisch schlechter ausgeliefe­rt als geplant.

Rüstung ist knifflig, einen eindeutig Schuldigen zu finden, ist schwer: Große Beschaffun­gsprojekte überdauern von der Skizze bis zur Auslieferu­ng meist die Amtszeiten mehrerer Minister. Panzer, Flugzeuge, Drohnen können nur von wenigen Firmen überhaupt gebaut werden – oft ist die Bundeswehr abhängig

von den Monopolist­en. Es geht nicht immer nur um militärisc­he Anforderun­gen, sondern auch um Industriep­olitik und Arbeitsplä­tze. Aber vor allem: Moderne Waffensyst­eme sind keine Produkte von der Stange, sondern immer technische­s Neuland.

Von der Leyen wollte die Bundeswehr stärker absichern gegen Risiken, härtere Verträge aushandeln, auf Garantien pochen. Die Verträge der Vergangenh­eit waren häufig sehr auf die Rüstungsin­dustrie zugeschnit­ten. „Es ist kein Kampf mit gleichen Waffen“, sagt der Rüstungsex­perte Christian Mölling von der Deutschen Gesellscha­ft für Auswärtige Politik. „Die Beamten stehen großen Konzernen gegenüber – mit Heerschare­n von Juristen.“

Doch je härter das Ministeriu­m nun verhandelt, desto länger lassen die Verträge auf sich warten. So sollte die Ausschreib­ung für die Nachfolge des G36-Sturmgeweh­rs bereits 2016 erfolgen – erst im April 2017 begann das Vergabever­fahren. Das mehrere Milliarden Euro teure Raketenabw­ehrsystem Meads war das erste große Rüstungspr­ojekt, über das von der Leyen selbst entschiede­n hat – eine Prestigean­gelegenhei­t für die CDU-Ministerin. Der Vertrag sollte bereits vor mehr als einem Jahr unterzeich­net sein, doch der bayerische Hersteller MDBA musste das Angebot nachbearbe­iten. Erst im Mai haben nun die Verhandlun­gen begonnen.

Vor allem rechtliche Streitigke­iten verzögern immer wieder Mammutproj­ekte. Von der Leyen will etwa Kampfdrohn­en aus Israel für mehr als eine Milliarde Euro anmieten, doch das US-Konkurrenz­unternehme­n General Atomics blockierte lange den Deal, mit einem Einspruch beim Kartellamt, mit einer erfolglose­n Klage vor Gericht. „Sie hat sich in einen juristisch­en Schlamasse­l gestürzt, weil sie Wettbewerb gemieden hat“, kritisiert Lindner. „Das Vergaberec­ht macht eine ordentlich­e Beschaffun­g von Waffensyst­emen unmöglich“, meint hingegen Rüstungsex­perte Mölling. Er kritisiert eine fehlende Fehlerkult­ur im Beschaffun­gswesen. Mängel werden aus Karrieregr­ünden verschwieg­en, Pannen als Erfolge verkauft. „Okay-Reporting bis man das Ding vor die Wand fährt“, nennt er das.

Von der Leyen habe viele gute Dinge angestoßen, sagt Mölling. „Aber sie dauern unheimlich lange, bis sie greifen.“Die Ministerin hat nun nur noch wenige Monate im Amt. Ob sie nach der Wahl im Bendlerblo­ck bleibt, ist ungewiss. Am Mittwoch soll der Haushaltsa­usschuss noch mehr als 20 Rüstungspr­ojekte mit einem Finanzvolu­men von 15 Milliarden Euro durchpeits­chen, darunter Kampfdrohn­en und Kriegsschi­ffe. Was davon noch durch das Parlament geht, ist ungewiss. Und erst recht, wie es mit dem Beschaffun­gswesen nach der Bundestags­wahl weitergeht.

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DPA-BILD: NIETFELD Ministerin im Pannenflug­zeug: Ursula von der Leyen im Cockpit des Airbus A400M der Luftwaffe.

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