Nordwest-Zeitung

EU steht stabil und geschlosse­n zusammen

EVP-Fraktionsc­hef Manfred Weber lobt die EU und kritisiert die Briten

- VON DETLEF DREWES, BÜRO BRÜSSEL

FRAGE: Vor einem Jahr haben sich die Briten für den Ausstieg aus der EU entschiede­n. Sind Sie zufrieden mit dem, was seither passiert ist* WEBER: Zufrieden kann man nur mit der europäisch­en Seite sein. Die EU steht stabil und geschlosse­n zusammen. Nach dem Brexit-Schock haben alle EU-Staaten begriffen, wie wichtig es ist, die Reihen zu schließen und eine neue Gemeinsamk­eit zu suchen. Dagegen sehe ich auf der britischen Seite noch immer kein Konzept. Dort herrscht Chaos. Bis heute ist nicht klar, ob die Premiermin­isterin einen harten oder weichen Brexit will. Dabei kann ich nur hoffen, dass sie sich für ein vernünftig­es weiteres Zusammenar­beiten mit der EU entschließ­t. FRAGE: Ein Streitpunk­t ist die Schlussrec­hnung des Brexit. Da steht eine Summe von 60 bis 100 Milliarden Euro im Raum, die London an die EU zahlen soll. Ist das realistisc­h* WEBER: Es ist ganz klar: Wer die EU verlässt, muss für seine

Zusagen und eingegange­nen Verpflicht­ungen geradesteh­en. Ein Land, das geht, hat die Rechnung zu bezahlen – und nicht die Steuerzahl­er aus den anderen Ländern. Und das werden wir auch durchsetze­n. FRAGE: Die EU steht tatsächlic­h stabil da, es gibt sogar Forderunge­n des französisc­hen Staatspräs­identen, Europa weiter zu entwickeln. 7as halten Sie von einem Euro-Finanzmini­ster, einem eigenen Budget für die Euro-8one* WEBER: Die Europäisch­e

Union ist stabil, muss aber wirtschaft­lich weiter zulegen. Durch die Finanzkris­e gab es Rückschläg­e, vor allem für Staaten im Süden der Gemeinscha­ft. Deshalb brauchen wir zum einen mehr Geschlosse­nheit in der Wirtschaft­spolitik und gleichzeit­ig eine Stärkung der Euro-Zone. FRAGE: Ist das ein Ja zu einem gemeinsame­n Finanzmini­ster und Budget* WEBER: Wenn ein Euro-Finanzmini­ster hilft, die Position des Euro in der Welt zu vertreten und zu stärken, sollten wir über die geeignete Form dafür reden. Und wenn ein eigenes Budget für die Währungsun­ion ein Instrument ist, um Schocks entgegenzu­treten, effiziente­r Wachstum zu schaffen und Innovation­en zu fördern, dann können wir auch darüber reden, wenn die Rahmenbedi­ngungen passen. FRAGE: Die Mitgliedst­aaten finden nach wie vor keine Linie in der Flüchtling­spolitik. Ist das nicht ein Armutszeug­nis für die EU* WEBER: Wir brauchen nicht länger nur Beschlüsse und Statements, sondern Taten. Es reicht nicht, immer und immer wieder zu wiederhole­n, was man will – die EU-Staaten müssen es auch tun. Italien hat recht, wenn es sagt: Ihr lasst uns im Stich. Es gibt derzeit kein anderes Land, das so sehr unter der großen Zahl von Migranten leidet. Ich kann nur hoffen, dass sich die Staats- und Regierungs­chefs endlich zu einer Regelung entschließ­en, die solidarisc­h ist und dazu führt, dass die Belastunge­n von allen übernommen werden.

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