Nordwest-Zeitung

Terroriste­n wie vom Radar verschwund­en

Zehn Aussteiger der 8AF fanden in der DD8 Unterschlu­pf – Betreut von der Stasi in Ostberlin Zehn 8AF-Aussteiger siedelten 1980 und 1982 in die DD8 über. Ein Teil von ihnen war 1977 rekrutiert worden.

- VON HANS BEGEROW

BERLIN-MARZAHN – Eine Plattenbau-Siedlung in BerlinMarz­ahn. Am 6. Juni 1990 endete dort eine der erstaunlic­hsten Volten des RAF-Terrors der 70er Jahre. Polizeibea­mte der DDR nahmen dort Ingrid Becker „zur Klärung eines Sachverhal­ts“fest. Bei der Vernehmung kam schnell heraus, dass es sich bei Ingrid Becker um die in der Bundesrepu­blik seit 1977 als Terroristi­n gesuchte Susanne Albrecht handelte. Albrecht war wie insgesamt acht weitere RAFAusstei­ger sowie Inge Viett, Mitglied der Terror-Bewegung 2. Juni, in die DDR übergesied­elt. Die Kontakte zur Staatssich­erheit hatte Inge Viett hergestell­t, die Staatssich­erheit wiederum hatte den „Kämpfern gegen den Imperialis­mus“einen Unterschlu­pf geboten. Bedingung: Sie mussten sich in den DDR-Alltag integriere­n. „Wir wollten auch verhindern, dass die DDR als Hinterland für Terroransc­hläge in anderen Staaten genutzt wurde“, sagte Gerhard Neiber, in der DDR stellvertr­etender Minister für Staatssich­erheit. „Wir erwarteten von den Aussteiger­n, dass sie sich von ihrer Organisati­on lösten, keinerlei Verbindung aufbauten und sich als DDR-Bürger ruhig und loyal verhielten“, sagte er dem Publiziste­n Robert Allertz („Die RAF und das MfS“).

Die Aussteiger nutzten zwar die DDR nicht als Hinterland für Terroransc­hläge, wohl aber die aktiven RAFMitglie­der. Das fing übrigens schon 1970 an, als die untergetau­chte Ulrike Meinhof in Ost-Berlin mit Regierungs­vertretern sprach. Immer wieder nutzten RAF-Terroriste­n die DDR als Transitlan­d. Und 1980 übten aktive RAF-Terroriste­n in NVA-Uniformen – Christian Klar, Adelheid Schulz, Helmut Pohl, Henning Beer und Inge Viett – das Schießen mit der sowjetisch­en Panzerfaus­t auf einem Übungsgelä­nde in der DDR. Später, nach den Verhaftung­en von Klar und anderen, setzten Ingrid Jakobsmeie­r und Christa Eckes diese Tradition fort. Der Kontakt nach Ostberlin brach schließlic­h im Jahr 1984 ab.

1978 hatte Inge Viett, Aktivistin des 2. Juni, Kontakte zur Stasi aufgebaut, als sie bei einer Grenzkontr­olle befragt wurde. Die Stasi kannte Vietts Aktivitäte­n, sicherte ihr zu, dass die DDR sie nicht an die Bundesrepu­blik ausliefern werde. Als 1979 eine Reihe von RAF-Mitglieder­n aussteigen wollten, nahm Viett erneut Kontakt mit Ost-Berlin auf. 1980 reisten die ersten Aussteiger über Berlin-Schönefeld in die DDR.

Die Stasi „betreute“die zunächst acht, später zehn Aussteiger. Es handelte sich überwiegen­d um RAF-Mitglieder, die während der „Offensive 77“kurzfristi­g geworben worden waren.

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