Hack-Ordnung am Fleischregal
Von Bio bis Tierschutz – Wie die Deutschen beim Einkauf ticken
Fleisch-;onderangebote empören Tausende. Aber sie locken noch mehr Kunden in ;upermärkte und Discounter.
BERLIN – Bei Edeka gibt es Schweineschnitzel zum halben Preis, das Kilo für 4,49 Euro. „Kracher“steht daneben im Prospekt. Real haut den Rinderbraten für 5,55 Euro raus – 42 Prozent Rabatt. Aldi schwingt beim Putenschnitzel den „Preishammer der Woche“: 2,99 Euro das Pfund. Fleisch zieht, vor allem billiges Fleisch. Darauf setzen die Werber – allen Debatten über Gesundheit und Tierschutz zum Trotz.
Doch wie kann das Kilo Fleisch billiger sein als ein Kilo Erdbeeren oder eine Schachtel Zigaretten? Die Frage beschäftigt nicht nur die Landwirte beim Deutschen Bauerntag in Berlin. Auch viele Kunden verlangen Antworten. „Billig, billiger, am billigsten – das ist eure Religion“, schrieb ein Facebook-Nutzer einem Discounter. Zehntausende stimmten zu.
„Lebensmittel sind mehr wert“, meint auch Bauernpräsident Joachim Rukwied. Der Eine Frau kauft abgepacktes Bio-Fleisch in einem Supermarkt in Hannover.
Konsument treffe seine allermeisten Kaufentscheidungen aber nun mal „preisorientiert“, sagte der Landwirt. Den Bauern bleibe nichts übrig, als zu liefern, wollten sie die Investitionen in ihre Höfe wieder reinholen und ihre Kredite zurückzahlen.
Das Gewissen vieler Kunden indes ist rein. Jeder zweite Deutsche isst aus Gründen des Umwelt- oder Klimaschutzes weniger Fleisch – das kommt jedenfalls heraus, wenn man sie selbst danach fragt, wie es Greenpeace zu
Jahresbeginn tat. Nach Branchenzahlen essen die Bürger aber nur etwas weniger Fleisch. Gut 59 Kilogramm pro Kopf waren es 2015, rund zwei Kilo weniger als noch vor fünf Jahren – aber auch nicht weniger als zur Jahrtausendwende.
Doch es gibt mehr BioFleisch, für das Tiere etwa mehr Platz und regelmäßigen Auslauf bekommen müssen – das aber auch das Doppelte oder Dreifache kosten kann. Auch vegetarische Wurst ist kein Exot mehr im Kühlregal. Deutschlands Schlachthöfe melden dennoch Rekordzahlen: 8,25 Millionen Tonnen Fleisch produzierten sie nach amtlichen Zahlen 2016, so viel wie nie. Denn Deutschland exportiert immer mehr Fleisch, mittlerweile fast die Hälfte.
Der Handel sei nur ein Absatzkanal neben dem Export oder der Gastronomie, betont der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels. Er verweist darauf, dass Fleisch und Fleischwaren im Laden heute gut ein Achtel teurer sind als 2010. Das gilt aber nicht für die LockvogelAngebote aus den Prospekten. „Sie werden künstlich billig gemacht und quersubventioniert“, sagt Sophie Herr, Lebensmittel-Expertin beim Bundesverband der Verbraucherzentralen. „Wenn sie damit eine fünfköpfige Familie in den Laden bekommen, die für 150 Euro ihren Wocheneinkauf macht, dann rechnet sich das.“
Nach einer Umfrage der Verbraucherschützer wären die Kunden bereit, für das Schweineschnitzel rund die Hälfte mehr zu bezahlen – wenn sie sicher sind, dass die Tiere besser gehalten werden. Nahezu jeder Zweite weiß jedoch nicht, woran er Fleisch aus artgerechter Haltung erkennt.