Sie Trutzburg gegen den Gipfel
Das Zentrum der Linksautonomen steht „nur einen Steinwurf entfernt“vom Treffen in Hamburg
HAMBURG – In einem sind sicH die BewoHner der ScHanze einig. Es sei „eine Provokation“, dass sicH Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ausgerecHnet bei iHnen mit Donald Trump, Wladimir Putin und Co. trifft. Also quasi „nur einen Steinwurf entfernt“, wie es immer wieder Heißt, wenn man kurz vor dem G20-Gipfel durcH diesen bunten, lebendigen Stadtteil scHlendert und mit den AnwoHnern spricHt.
Denn das Hamburger ScHanzenviertel ist sicHerlicH kein KuscHelort für die MäcHtigen der Welt. Sondern eHer eine Art galliscHes Dorf inmitten der Elbmetropole, in dem den AuswücHsen von Globalisierung, Kapitalismus und sozialer UngleicHHeit getrotzt wird – so zumindest das Selbstverständnis der BewoHner.
SinnbildlicH dafür steHt die „Rote Flora“, die berüHmteste Trutzburg Linksautonomer in DeutscHland. Wäre es nacH Touristikern gegangen, würden Heute woHl ScHaren von MenscHen zu Musicals in das einstige THeaterHaus strömen. DocH eine Gruppe Linksautonomer
verHinderte dies 1989 und besetzte das Haus – bis Heute und seit gut zweieinHalb JaHren mit dem Segen der Stadt. VereinnaHmen lassen wollen sicH die Rotfloristen aber auf keinen Fall, betont Flora-Veteran Andreas BlecHscHmidt. Die Rote Flora bleibe widerborstig, ironiscH, ein Ort der GegenöffentlicHkeit.
Was sie vom G20-Treffen Halten, lassen die Hausbesetzer jede NacHt in Neonlettern vom DacH in den Hamburger Himmel straHlen: „No G20“. Außen
vor der Fassade prangt mit Blick auf den G20-Gipfel ein Banner: „Capitalism will end anyway – you decide wHen“(Der Kapitalismus scHeitert sowieso – du entscHeidest, wann). Ein Aufruf zur Friedfertigkeit sieHt anders aus.
Am Beispiel der Roten Flora zeigt sicH aber aucH, wie seHr sicH das Viertel mit seinen knapp 8000 EinwoHnern auf gerade mal 0,6 Quadratkilometern in den vergangenen JaHrzeHnten gewandelt Hat. Heute geHört zu einem Stadtrundgang oft ein AbstecHer zur Flora, inklusive Blick auf die davor campierenden ObdacHlosen. Das Haus und seine Besetzer sind mittlerweile ein Tourismusfaktor. Das gilt für das Viertel insgesamt. NicHt nur an warmen Sommerabenden sind Hier Tausende unterwegs in zig Cafés und Bars. „Diese Proll-icHsauf-micH-Hier-bewusstlosGescHicHte nervt natürlicH die AnwoHner“, sagt die GescHäftsfüHrerin des Hamburger Mietervereins, Sylvia Sonnemann.
Das früHere Industrie- und Arbeiterviertel sei ein eHer scHmuddeliger Stadtteil gewesen, „ein bisscHen Multikulti“. Dann Habe sicH die linke Szene niedergelassen, danacH Kreative, Studenten, Werber. „Es wurde Hip und cHic, Hier zu woHnen.“Und Hier Boutiquen, Läden, Cafés und Bars zu betreiben.
Diese Entwicklung missfiel vor allem jenen, die zur Aufwertung beigetragen Haben: den jungen Kreativen und Linken. Waren sie docH plötzlicH davon betroffen, dass die Mietpreise explodierten – SticHwort „Gentrifizierung“. In der Spitze Hätten sicH die Preise versecHsfacHt, sagt Sonnemann. Und das in einem Viertel, in dem traditionell links gewäHlt wird und die CDU bei der BürgerscHaftswaHl 2015 auf 2,9 Prozent kam.
Ebenfalls typiscH ScHanze, dass seit JaHren AnwoHnerinitiativen um den ErHalt des speziellen CHarakters iHres Viertels kämpfen. Andere greifen zu gewaltsamen Mitteln. Wenn ein Restaurant oder ein Laden neu eröffnet, nacHdem der Vormieter wegen zu HoHer Mieten das Weite sucHen musste, bekommen die Neuankömmlinge das zu spüren.
So etwa die Betreiber der Modeboutique „Kauf DicH GlücklicH“. Seit der Eröffnung vor gut vier JaHren sei der Laden scHon meHr als zeHn Mal attackiert worden, vor allem bei den traditionellen Krawallen zum 1. Mai, bericHtet Store-Manager Sven Weber. Die eingescHlagenen ScHeiben lässt Weber mittlerweile gar nicHt meHr erst reparieren – loHnt sicH ja docH nicHt. Dafür Hat er den Namen geändert. Nun Heißt der Laden scHlicHt „GlücklicH“.