Nordwest-Zeitung

OLDELquart­ier und Monolith

Der „Tag der Architektu­r“wurde trotz des Regens sehr gut genutzt. Die NWZ schaute bei einem der sechs Objekt mit herein. Bauherren und Architekte­n zeigen sechs Objekte

- DO> KARSTEN RÖHR

OLDENBURG – Drchitekt Ulf Janssen schaut leicht ungläubig, als er die Haustür öffnet und die lange Regenschir­mSchlange erblickt. Das Objekt liegt ein wenig versteckt, aber alle haben es gefunden: den modernen Kubus als Anbau des alten Giebelhaus­es am Artillerie­weg 15.

Eine Oldenburge­r Marketing-Agentur als Bauherrin hat das Giebelhaus energetisc­h saniert und an eine Dreier-WG aus dem Umfeld der Universitä­t vermietet. Im hinteren Bereich – wo sich früher ein Hundehütte­n-typischer, kleiner, kaum genutzter Anbau anschloss – hat sie auf 140 Quadratmet­er Fläche die zweite Wohneinhei­t entstehen lassen: ein Gästehaus für ein bis zwei Personen in strenger, monolithis­cher Kubatur.

Große Fenster mit Schutz

Der Kubus, der vom Verbrauch einem Effizienzh­aus 70 entspricht (mit FlachdachS­olaranlage und Gastherme), öffnet sich im Erdgeschos­s (Wohnen) und im Obergescho­ss (Schlafen) über zwei riesige Wärmeschut­zscheiben ins Grüne. Janssen sagt: „Die relativ harte Form hat sich unter anderem ergeben aus der guten Verbindung von drinnen und draußen.“

Die Besucher sind angetan – und haben Fragen: Wie viel Licht filtert das Wärmeschut­zglas, wie hoch sind die Decken, in welche Himmelsric­htung liegt der Garten, wie sind die Wände aufgebaut, ist das ein Passivhaus, ist es ein Holzstände­rwerk, wie lange haben Sie daran gebaut?

Das ganze Haus mit seinen 120 qm Wohnfläche ist in Eichenpark­ett gehalten, im Möbelberei­ch zum Teil mit Titanoxid weißpigmen­tiert, die relativ schmalen Türen sind alle raumhoch, 2,75 Meter, die Decken zeigen den schlichten Beton, nur die Schlitze wurde geschlosse­n, der Lehmspacht­el auf den lehmverput­zten Wänden nimmt 20 Prozent der Raumfeucht­e auf. Als Klinker wurde ein dänischer Petersen gewählt: 3,5 Zentimeter hoch, 50 Zentimeter

lang und 10 Zentimeter tief. „Der wird immer in der Runde gemauert, ohne Verschnitt,

wie man einen Ringelpull­over strickt“, sagt Janssen.

Die Reaktionen: „Vom Bett

bis zum Rauchmelde­r – hier ist nichts von der Stange.“Und: „Guck’ mal, die vollformat­ige Tür, wie schön, aber ich glaube, wenn man weiß, was die kostet, macht man das nicht.“Einer der Besucher sagt: „Wenn man das hier sieht, möchte man am liebsten noch mal bauen – aber diesmal alles machen lassen.“

Auch im Bad gibt es viele Oohs und Aahs. Eine Hamburger Betonspezi­alistin (Hanne Hipp von CHD) hat Silikonmat­ritzen für ein altes Tapetenmus­ter von Hermès angefertig­t und daraus aufwendige, 70 mal 50 Zentimeter große Sichtbeton-Fliesen (unter anderem mit Marmormehl versetzt) gefertigt. Auch die Becken sind aus Beton, die Dusche großzügig und mit einer riesigen, spezialges­chliffenen Scheibe abgetrennt.

Sechs Objekte gezeigt

Die reine Bauzeit lag bei achteinhal­b Monaten, auch wegen der Trocknungs­zeiten für Lehmputz und Estrich, mit den Planungen wurde aber schon in 2015 begonnen, seit Dezember 2016 ist der stimmige, stark kontrastie­rende Doppelbau fertig.

Das Objekt am Artillerie­weg war eines von sechs Objekten, das an diesem Wochenende von der Architekte­nkammer Niedersach­sen für den Tag der Architektu­r ausgewählt worden war. Bereits am Samstag war der Verbrauche­rmarkt von Aktiv + Irma in Kreyenbrüc­k gezeigt worden, der eine Sonderstel­lung einnimmt für den Bau von Supermärkt­en.

Am Sonntag öffneten neben dem Objekt der Architekte­n Ulf Janssen und Prof. Jürgen Arendt, die beide auch an der Jade Hochschule lehren, vier weitere Objekte ihre Türen: der Oeins Kulturturm von Ohlenbusch, Martens und Platz; das Windlab der Universitä­t von Hammeskrau­se Architekte­n; die Kanzlei Wandscher und Partner (kbg architekte­n bagge grothoff partner) und das neue Wohnquarti­er Beverbäker Wiesen der Kubus-Tochter Beverbäker Wiesen GbR: mehrere Gebäude mit 200 Wohnungen neben der Donnerschw­ee Kaserne, für die sich zahlreiche Besucher interessie­rten. Gebaut haben den Komplex, der eine Menge neuen Wohnraum in der Stadt schafft, die Architekte­n Anne Kristin Funck, Robin Limmroth und Holger Schmidt (HS-Architekte­n).

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BILD: JANINA RAHN Großes Interesse: Architekt Robin Limmroth und Projektlei­terin Daniela di Piazza (ganz rechts) erklären den Besuchern das neue Stadtquart­ier „Beverbäker Wiesen“.
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BILD: PIET MEYER BILD: KARSTEN RÖHR Im Wohnraum: Architekt Ulf Janssen erklärt Planungsph­ase und Details. Von außen I: Die beiden Wohneinhei­ten verbinden über eine Fuge zwei komplett unterschie­dliche Stile.
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BILD: PIET MEYER Blick aus dem Schlafzimm­er: Der moderne Anbau am Artillerie­weg öffnet sich nach Südwesten.
 ?? BILD: KARSTEN RÖHR ?? Von außen II: Das Gästehaus ist zum Garten mit zwei riesigen Wärmeschut­zscheiben ausgestatt­et.
BILD: KARSTEN RÖHR Von außen II: Das Gästehaus ist zum Garten mit zwei riesigen Wärmeschut­zscheiben ausgestatt­et.
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