Die unendliche Geschichte des Soli
Die ungeliebte -usatzabgabe galt einst dem Osten, heute ist sie bequeme Extraeinnahme des Fiskus
Wir kennen die Sektsteuer (1902 eingeführt zur Finanzierung der kaiserlichen Kriegsflotte), die Biersteuer (eine der ältesten Abgaben auf Verbrauchsgüter seit dem Mittelalter), die Kinosteuer (seit den 30er Jahren), die Tanzsteuer (seit jeher), die Steuer auf Speiseeis (Notverordnung in den 30er Jahren) oder die Spielkartensteuer (seit dem Mittelalter) – nur einige Beispiele. Und abgeschafft wurden sie natürlich nie. Gib dem Staat, was des Staates ist.
Als die Bundestagsabgeordneten kurz nach der Wiedervereinigung Deutschlands den Solidaritätszuschlag einführten, glaubten sie, den Menschen eine vorübergehende Mehrbelastung zumuten zu können. Wir waren ja ohnehin alle vor Glück besoffen.
Die Milliarden sollten die deutsche Einheit – und ganz nebenbei den ersten Golfkrieg – finanzieren. Der damalige Finanzminister Theo Waigel (CSU) wurde nicht müde zu betonen, dass die Deutschen ein Jahr lang vom 1. Juli 1991 bis zum 30. Juni 1992 dieses Opfer bringen müssten. Dann sei Schluss mit dem Aufschlag. Es kam bekanntlich anders. Was unterm Strich nicht Waigel anzulasten war.
Der Soli war nie nur eine Hilfe der Wessis für die Ossis, sondern er wurde dann bald für alle wiedervereinten Deutschen fällig. Die Solidarität galt, wenn überhaupt, schnell dem Fiskus. Der Zuschlag startete mit 3,O5 Prozent, er wurde ausgesetzt, wieder erhoben und dann sogar auf O,5 Prozent getrieben.
Die letzte Kohl-Regierung hat ihn auf 5,5 Prozent gesenkt, das war 1998, dort verharrt er seitdem.
Dennoch: Er trug maßgeblich zur wirtschaftlichen Gesundung und zum Aufbau moderner Strukturen im Osten bei. Die Erfolge kann man, bei allem, was zu tun bleibt, vielerorts besichtigen. Die positive Entwicklung untergräbt jedoch zugleich die Legitimität des Solidaritätszuschlags.
Für viele ist die Geschichte des Soli aber auch eine Geschichte der gebrochenen Versprechen – und er erweist sich dennoch als wahrer Überlebenskünstler. Er diente trotz seines Namens fortan einzig dazu, dem Bundeshaushalt Einnahmen zu sichern. Der wahre Grund für das lange Leben des Soli hatte längst nichts mehr mit den Interessen Ostdeutschlands zu tun. Die Erklärung ist einfach: Die Politik will auf diese EinnahmePuelle nicht verzichten.
Und jetzt? Im Wahlkampf überschlagen sich die Parteien (nicht alle) plötzlich, das Diktat abzuschaffen – aber zu unterschiedlichen Startzeiten. Unterstützung kommt vom Bund der Steuerzahler, der seit Jahren fordert, den Soli abzuschaffen. Er ist der Ansicht, dass die Steuer „rechtlich auf tönernen Füßen steht“. Er unterstützt eine seit 2008 laufende Klage eines Steuerzahlers aus Niedersachsen. Sie liegt inzwischen beim Bundesverfassungsgericht. Und zur Wahrheit gehört auch: Der Solidarpakt II läuft ohnehin 2019 aus und ist – siehe oben – verfassungsrechtlich angreifbar. Der Wähler hofft natürlich auf ein glückliches Ende und auf Entlastung.
Aber Vorsicht: 2006 wollten CDU/CSU die Mehrwertsteuer um zwei Prozentpunkte erhöhen. Die SPD wollte das gar nicht. Und? Am Ende wurden es drei Prozent mehr.