Nordwest-Zeitung

Plötzlich kommt die „Ehe für alle“

Wie Kanzlerin Merkel 3n. Hera3sfor.erer Sch3lz eine politische <a=ine in Gang setzten

- VON TOBIAS SC7MIDT UND RASMUS BUC7STEINE­R

Die Unionsfrak­tions ist überrascht >on .er Kehrt=en.e. Sie m3ss sich sortieren ? 3n. z=ar schnell. Am Freitag =ir. schon abgestimmt.

BERLIN ? Dienstagna­chmittag dringt die Nachricht aus der Unionsfrak­tion: Bundeskanz­lerin Angela Merkel hebt den Fraktionsz­wang für die von der SPD erzwungene Abstimmung über die „Ehe für alle“auf, kassiert das kategorisc­he „Nein“zur Homo-Ehe.

Die CDU-Chefin war von SPD-Kanzlerkan­didat Martin Schulz überrumpel­t worden, nachdem sie in einer abendliche­n Talkrunde ihr Einlenken signalisie­rte – allerdings einen Beschluss erst für die nächste Legislatur­periode angepeilt hatte. „Die Kanzlerin hat einen Move gemacht. Jetzt nehmen wir sie beim Wort“, erklärte Schulz am Dienstag selbstbewu­sst vor der Hauptstadt­presse. Noch in dieser Woche werde über die „Ehe für alle“abgestimmt, legte er sich fest. Am Freitag wird es nun wohl zum Showdown im Plenum kommen.

Der Herausford­erer versucht, aus Merkels „Move“Kapital zu schlagen – riskiert den Bruch der Großen Koalition drei Monate vor der Bundestags­wahl. Dieser scheint nach der Unions-Fraktionss­itzung abgewendet, aber klar ist: Der Wahlkampf hat mit voller Wucht begonnen, ohne Rücksicht auf Verluste.

Merkel hatte der SPD die Steilvorla­ge geliefert und damit ein heftiges Rumoren in den eigenen Reihen provoziert. Im konservati­ven Lager ist die Homo-Ehe und damit verbunden das Adoptionsr­echt für gleichgesc­hlechtlich­e Partner ein rotes Tuch. „Es geht für uns um das Kindeswohl. Für ein Kind ist es wichtig, Vater und Mutter zu haben als Bezugspers­onen in ihrer Verschiede­nheit“, bekräftigt­e Bundestags­vizepräsid­ent Johannes Singhammer (CSU) am Dienstag.

Viele Wortmeldun­g gab es am Dienstag in der Fraktionss­itzung von CDU und CSU, die meisten waren ablehnend, heißt es. Aber keiner habe Angela Merkel direkt attackiert. Die Kanzlerin ergriff das Wort – unaufgereg­t wie stets. Es gehe bei der Abstimmung um eine Gewissense­ntscheidun­g, erklärte sie. Deswegen könnten die Abgeordnet­en frei abstimmen.

Hat sich die sonst so berechnend­e CDU-Chefin verkalkuli­ert? Hat sie Geister gerufen, die sie nicht mehr einfangen kann? Angedeutet hatte sie ihre Entscheidu­ng bereits beim Treffen mit dem Kardinal-Höffner-Kreis mit konservati­ven Abgeordnet­en. Aber es war im Sessel beim Polit-Plausch mit „Brigitte live“, wo die CDU-Chefin Montagaben­d die Kehrtwende beim Thema „Ehe für alle“öffentlich machte: Sie wünsche sich eine Diskussion, „die eher in Richtung einer Gewissense­ntscheidun­g geht“. Kein Fraktionsz­wang in der für die Union so zentralen Frage.

Diese Nachricht erreichte Martin Schulz bei einer Feier mit Journalist­en. SPD-Generalsek­retär Hubertus Heil informiert­e ihn. Nach kurzer Beratung war man sich sicher, dass Thema hochzuzieh­en, in

die Offensive zu gehen, Merkel zu zwingen, Position zu beziehen – mit Hilfe von Bundesrats-Drucksache „27315“.

Der Kanzlerin sei womöglich nicht klar gewesen, dass im Rechtsauss­chuss des Parlaments noch ein vom Bundesrat bereits beschlosse­ner Gesetzentw­urf liege, der nur noch vom Bundestags­plenum beschlosse­n werden müsse, so eine Lesart. Oder handelte die Kanzlerin aus Kalkül, wollte

das Thema abräumen, damit es im Wahlkampf keine Rolle mehr spielt? Dass Merkel der Auffassung sei, die Haltung zur „Ehe für alle“sei „eine Gewissense­ntscheidun­g“, war in der Unionsspit­ze bekannt. Fraktionsc­hef Volker Kauder (CDU) sei von den Äußerungen Merkels nicht überrascht gewesen, wie es heißt.

Doch ist die Verärgerun­g ist groß. „Die CSU bleibt bei der

Überzeugun­g, dass das grundrecht­lich anerkannte Rechtsinst­itut der Ehe der Verbindung von Mann und Frau vorbehalte­n sein sollte“, betonte etwa Stephan Mayer (CSU), innenpolit­ischer Sprecher der Bundestags­fraktion, am Dienstag. Doch gab es auch Zustimmung von den bekennende­n Homosexuel­len in der CDU. So habe etwa Präsidiums­mitglied Jens Spahn die Abstimmung begrüßt.

Schulz hatte die „Ehe für alle“erst am Sonntag beim Parteitag – nach entspreche­nden Festlegung­en von Grünen und FDP – zur Bedingunge­n für eine Koalition gemacht hatte. Von Schulz’ Entscheidu­ng, nach Merkels Schwenk die Abstimmung nun noch in dieser Woche zu erzwingen, war die Unionsfrak­tion kalt erwischt worden.

Als Fraktionsc­hef Volker Kauder (CDU) vor der Sitzung vor die Mikrofone trat, klang er noch zornig: „Das ist ein Vertrauens­bruch“, ließ er seinem Ärger auf die SPD freien Lauf. Hinter den verschloss­enen Türen schlug auch Kauder wieder ruhigere Töne an. Jene, die eine völlige Gleichstel­lung der sogenannte­n Homo-Ehe mit der Ehe von Frau und Mann ablehnten, sollten respektvol­l mit der Meinung der anderen umgehen. Der Versuch, die Wogen in den eigenen Reihen zu glätten, die Kanzlerin aus der Schusslini­e zu bringen.

Denn auch wenn die Union mit großer Mehrheit gegen die „Ehe für alle“stimmen wird, gilt die Annahme wegen der Zustimmung bei Grünen und Linksparte­i als sehr wahrschein­lich.

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DPA-BILD: REIC7EL Ein schwules Paar vor der Regenbogen­fahne: Kommt bald die „Ehe für alle“?

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