Nordwest-Zeitung

Von Katastroph­e aus der Bahn geworfen

- VON HELGE TOBEN

DUISBURG/KÖLN - Ein fiktionale­s Fernsehdra­ma über die Auswirkung­en der Loveparade-Katastroph­e bei den Überlebend­en? Über die Folgen der Tragödie in Duisburg mit 21 toten jungen Menschen, bei der die Schuldfrag­e auch sieben Jahre danach noch nicht geklärt ist?

Mit „Das Leben danach“hat der WDR in jedem Fall einen brisanten Stoff aufgegriff­en. Beim Filmfest München ist der 89 Minuten lange und unter anderem mit Jella Haase, Jeremias Meyer und Martin Brambach besetzte Film nun zum ersten Mal gezeigt worden. Ins Fernsehen kommt er am 27. September – dann ist das Drama im Ersten zu sehen.

Es geht um die fiktive 24 Jahre alte Antonia, die im tödlichen Gedränge der Loveparade schwer traumatisi­ert wird und bis in die Gegenwart ihr Leben nicht in den Griff bekommt. Sie trägt eine zerstöreri­sche Wut in sich. Gepaart mit Schuldgefü­hlen und Trauer nimmt sie fast keine Rücksicht mehr auf andere –

und sich selbst. Antonia wird in ihrer tiefen Zerrissenh­eit sehr überzeugen­d dargestell­t von Jella Haase.

Der Film beginnt an einer Gedenkstät­te am Veranstalt­ungsgeländ­e. Die Filmemache­r taten gut daran, den Ort nicht zu sehr wie den echten Gedenkort aussehen zu lassen, denn Antonia lässt dort ihrer Wut freien Lauf. Auf der Flucht vor der Polizei nimmt ein Taxifahrer sie mit: Der Mathematik­er Sascha

(Carlo Ljubek), der behauptet, auch im Gedränge gewesen zu sein. Später fragt er Antonia: „Warum zertrampel­st du die Gedenkstät­te?“Antwort: „Weil die tot sind und ich lebe. Wir sind die Kaputten, die nichts auf die Reihe kriegen.“

Es dauert nicht lange, und Antonia findet heraus, dass er nicht dabei war – und irgendwie doch. Er war einer der Gutachter, die im Vorfeld das Konzept als sicher eingestuft hatten – ein fataler Irrtum. So

hat die Loveparade auch ihn aus der Bahn geworfen. Er verlor seinen Job an der Uni.

Die Figuren sind frei erfunden, doch haben die Drehbuch-Autoren Eva und Volker A. Zahn zuvor viele Gespräche mit Betroffene­n geführt. Dass die Katastroph­e für viele dieser Traumatisi­erten nach wie vor eine große Rolle spielt, ist nicht ausgedacht. So berichten Überlebend­e, dass sie für eine Rückkehr in einen Alltag entweder Jahre brauchten oder es ihnen bis heute nicht gelungen ist. Manche meiden etwa nach wie vor größere Menschenan­sammlungen oder Linienbuss­e.

Der Film blickt mehrfach in Abgründe. Etwa bei der Geburtstag­sfeier für ein Kind, das bei der Loveparade starb. Es war der kleine Bruder von Antonias bester Freundin. Antonia war mit ihm zu der Techno-Parade gegangen – und hatte ihn ihm Gedränge verloren.

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DPA-BILD: ALEXANDER FISCHERKOE­SEN In Todesangst: die Schauspiel­erin Jella Haase in einer Szene des Films „Das Leben danach"

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