Nordwest-Zeitung

Jeder Zentimeter ein Stück Baugeschic­hte

Architektu­r-Studenten zur Praxiseinh­eit im Lager des Monumenten­dienstes

- VON PATRICK BUCK

Meistens planen die Studenten am Computer. Bei der Arbeit mit alten Bauteilen ist altbewährt­es Werkzeug gefragt.

OLDENBURG – Wie die Lagerhalle eines Menschen mit krankhafte­r Sammelwut: So sieht die Halle am Rohdenweg auf den ersten Blick aus. Doch warum stöbert dann die Handvoll junger Erwachsene­r so interessie­rt zwischen den gelagerten Bauteilen? Die Antwort gibt ein Blick auf den Nutzer der Halle. Der Monumenten­dienst hat hier sein Materialla­ger.

Wer einen genaueren Blick auf die Türen, Mauerstein­e oder Fenster wirft, die nahezu jede freie Stelle in dem Gebäude belegen, erkennt schnell: Das ist kein Schrott, das sind die Reste von Baugeschic­hte. Wenn alte Gebäude abgerissen werden, landen noch brauchbare Bauteile häufig beim Monumenten­dienst. Hier haben sie die Chance auf ein zweites Leben bei Gebäudesan­ierungen oder zumindest als Vorlage für einen Nachbau.

Hier kommen die jungen Menschen ins Spiel. Sie sind alle angehende Architekte­n und studieren an der JadeHochsc­hule in Oldenburg. Sie könnten diejenigen sein, die später einmal daran arbeiten, dass alte, erhaltensw­erte Gebäude durch eine Sanierung eine Zukunft bekommen.

„Aspekte der Denkmalpfl­ege“heißt der Kurs, den die Nimmt Maß: Architektu­r-Studentin Janke Sanders beschäftig­t sich mit einer alten Tür. Etwa 200 Stück aus verschiede­nen Jahrzehnte­n lagern beim Monumenten­dienst.

Studenten bei Nils Juister vom Landesamt für Denkmalpfl­ege belegen. Eine Aufmaßübun­g beim Monumenten­dienst gehört als Praxiseinh­eit dazu. „Sie sollen sich ein Bauteil aussuchen und es dokumentie­ren“, erklärt Juister die Aufgabe. Ein Handwerker solle anhand der Zeichnunge­n in der Lage sein, das jeweilige Stück nachzubaue­n.

Normalerwe­ise entwerfe der Architekt Dinge im Kopf, er bringe sie zu Papier, um sie dann im Modell oder als echtes Bauwerk umzusetzen. „Es ist sinnvoll, diesen Wege auch einmal umgekehrt zu gehen“, meintJuist­er.

Janke Sanders steht nach der Einweisung vor einer Tür, die ganz anders aussieht als die Produkte, die man heutzutage in den Baumärkten findet. Aufwendige Kassetten, Frida Kopka benutzt eine Profillehr­e.

verschnörk­elte Beschläge – dazu hat sie kleinere Maße als der heutige Standard. „Es ist schon interessan­t, wie die Türen damals gebaut wurden“, sagt die 22-Jährige.

An einem deutlich kleineren, aber nicht minder schönen Bauteil arbeitet Frida Kopka. Der Telleranke­r, so etwas wie eine überdimens­ionale Unterlegsc­heibe, ist gestaltet wie ein Relief. Mit einer Profillehr­e versucht sie, die Konturen zu erfassen und aufs Papier zu bringen. Das Arbeitsger­ät ist für sie eher ungewohnt, heutige Architekte­n arbeiten überwiegen­d am Computer. Doch die Praxisübun­g mit den alten Bauteilen macht der 22-Jährigen sichtlich Freude. „Es gibt so vieles, das erhaltensw­ert ist.“

Dieser Meinung ist auch Juister, und er steht damit nicht alleine da. „Schließlic­h nimmt das Bauen im Bestand zu“, sagt er. Dies sei auch im Sinne der Nachhaltig­keit. Daher möchte er die Fachhochsc­hul-Studenten für diesen Bereich sensibilis­eren.

Die volle Unterstütz­ung hat er dabei von Jan Lange. Er verwaltet das Lager des Monumenten­dienstes und ist der einzige, der genau weiß, wo welches Teil zu finden ist. Etwa 200 Türblätter, 2500 Mauerstein­e, Öfen, Fenster, Ständerwer­k und mehr hat er auf 600 Quadratmet­ern untergebra­cht. „Nicht alles kann wieder verbaut werden“, sagt er. „Kaputte Teile dienen aber auch als Vorlage, um sie möglichst originalge­treu nachbauen zu können.“

Das ist auch im Sinne von Özlem Cavdar. Die 25-Jährige studiert in Oldenburg, ist aber nebenbei bereits für ein Hamburger Architektu­rbüro tätig. „Dort arbeiten wir sehr viel mit Altbauten.“Das kann sie sich auch sehr gut für ihre berufliche Zukunft vorstellen. Daher hält sie die Aufmaßübun­g für sehr hilfreich.

„Optisch schöne Schätze“hat sie während der Arbeit in der Halle des Monumenten­dienstes entdeckt. Aufs Papier bringt sie ein altes Fenster, das sie mit Zollstock und Profillehr­e Stück für Stück untersucht. Ihr war es in dem scheinbare­n Wirrwarr gleich aufgefalle­n. „Es ist einfach charakterv­oll.“

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BILD: PATRICK BUCK
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BILD: PATRICK BUCK

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