Jeder Zentimeter ein Stück Baugeschichte
Architektur-Studenten zur Praxiseinheit im Lager des Monumentendienstes
Meistens planen die Studenten am Computer. Bei der Arbeit mit alten Bauteilen ist altbewährtes Werkzeug gefragt.
OLDENBURG – Wie die Lagerhalle eines Menschen mit krankhafter Sammelwut: So sieht die Halle am Rohdenweg auf den ersten Blick aus. Doch warum stöbert dann die Handvoll junger Erwachsener so interessiert zwischen den gelagerten Bauteilen? Die Antwort gibt ein Blick auf den Nutzer der Halle. Der Monumentendienst hat hier sein Materiallager.
Wer einen genaueren Blick auf die Türen, Mauersteine oder Fenster wirft, die nahezu jede freie Stelle in dem Gebäude belegen, erkennt schnell: Das ist kein Schrott, das sind die Reste von Baugeschichte. Wenn alte Gebäude abgerissen werden, landen noch brauchbare Bauteile häufig beim Monumentendienst. Hier haben sie die Chance auf ein zweites Leben bei Gebäudesanierungen oder zumindest als Vorlage für einen Nachbau.
Hier kommen die jungen Menschen ins Spiel. Sie sind alle angehende Architekten und studieren an der JadeHochschule in Oldenburg. Sie könnten diejenigen sein, die später einmal daran arbeiten, dass alte, erhaltenswerte Gebäude durch eine Sanierung eine Zukunft bekommen.
„Aspekte der Denkmalpflege“heißt der Kurs, den die Nimmt Maß: Architektur-Studentin Janke Sanders beschäftigt sich mit einer alten Tür. Etwa 200 Stück aus verschiedenen Jahrzehnten lagern beim Monumentendienst.
Studenten bei Nils Juister vom Landesamt für Denkmalpflege belegen. Eine Aufmaßübung beim Monumentendienst gehört als Praxiseinheit dazu. „Sie sollen sich ein Bauteil aussuchen und es dokumentieren“, erklärt Juister die Aufgabe. Ein Handwerker solle anhand der Zeichnungen in der Lage sein, das jeweilige Stück nachzubauen.
Normalerweise entwerfe der Architekt Dinge im Kopf, er bringe sie zu Papier, um sie dann im Modell oder als echtes Bauwerk umzusetzen. „Es ist sinnvoll, diesen Wege auch einmal umgekehrt zu gehen“, meintJuister.
Janke Sanders steht nach der Einweisung vor einer Tür, die ganz anders aussieht als die Produkte, die man heutzutage in den Baumärkten findet. Aufwendige Kassetten, Frida Kopka benutzt eine Profillehre.
verschnörkelte Beschläge – dazu hat sie kleinere Maße als der heutige Standard. „Es ist schon interessant, wie die Türen damals gebaut wurden“, sagt die 22-Jährige.
An einem deutlich kleineren, aber nicht minder schönen Bauteil arbeitet Frida Kopka. Der Telleranker, so etwas wie eine überdimensionale Unterlegscheibe, ist gestaltet wie ein Relief. Mit einer Profillehre versucht sie, die Konturen zu erfassen und aufs Papier zu bringen. Das Arbeitsgerät ist für sie eher ungewohnt, heutige Architekten arbeiten überwiegend am Computer. Doch die Praxisübung mit den alten Bauteilen macht der 22-Jährigen sichtlich Freude. „Es gibt so vieles, das erhaltenswert ist.“
Dieser Meinung ist auch Juister, und er steht damit nicht alleine da. „Schließlich nimmt das Bauen im Bestand zu“, sagt er. Dies sei auch im Sinne der Nachhaltigkeit. Daher möchte er die Fachhochschul-Studenten für diesen Bereich sensibiliseren.
Die volle Unterstützung hat er dabei von Jan Lange. Er verwaltet das Lager des Monumentendienstes und ist der einzige, der genau weiß, wo welches Teil zu finden ist. Etwa 200 Türblätter, 2500 Mauersteine, Öfen, Fenster, Ständerwerk und mehr hat er auf 600 Quadratmetern untergebracht. „Nicht alles kann wieder verbaut werden“, sagt er. „Kaputte Teile dienen aber auch als Vorlage, um sie möglichst originalgetreu nachbauen zu können.“
Das ist auch im Sinne von Özlem Cavdar. Die 25-Jährige studiert in Oldenburg, ist aber nebenbei bereits für ein Hamburger Architekturbüro tätig. „Dort arbeiten wir sehr viel mit Altbauten.“Das kann sie sich auch sehr gut für ihre berufliche Zukunft vorstellen. Daher hält sie die Aufmaßübung für sehr hilfreich.
„Optisch schöne Schätze“hat sie während der Arbeit in der Halle des Monumentendienstes entdeckt. Aufs Papier bringt sie ein altes Fenster, das sie mit Zollstock und Profillehre Stück für Stück untersucht. Ihr war es in dem scheinbaren Wirrwarr gleich aufgefallen. „Es ist einfach charaktervoll.“