DUELL DER FELDER: MINISTER MUSS ACKERN
Landwirtschaftsminister Meyer stellt sich beim „Duell der Felder“den Fragen der Jungbauern
Christian Meyer (Grüne) ist Schirmherr der Aktion. Auf dem Feld plauderte er über Privates und Dienstliches.
NEERSTEDT – Schirmherr, das ging früher auch mal leichter. Man schnitt ein Band durch, man sagte ein Grußwort auf, fertig. Heute muss der Schirmherr aufs Feld, Kartoffelkäfer sammeln.
„Sind Sie mit einem roten Eimer einverstanden?“Der grüne Minister nickt.
Christian Meyer, 41 Jahre alt, als niedersächsischer Landwirtschaftsminister auch für Kartoffelkäferbefall zuständig, hat sich vorbereitet. Er zupft einen Internetausdruck aus seinem Jackett, „Biologische Bekämpfungsmöglichkeiten des Kartoffelkäfers“. Aber er kann den Zettel gleich wieder einstecken, denn Bio, das haben sie hier längst geklärt: Rücken krumm machen, Kartoffelkäfer vom Blatt pflücken, Kartoffelkäfer in den Eimer werfen.
„Nicht den Marienkäfer, den mögen wir!“, warnt Lars Reckermann den Minister vor Fehlgriffen. Marienkäfer fressen Kartoffelkäferlarven.
Hier an der Brettorfer Straße in Neerstedt (Landkreis Oldenburg) kämpfen nicht nur Kartoffelkäfer gegen Kartoffelpflanzen, sondern vor allem Journalisten gegen Junglandwirte. Gewinnen wird das „Duell der Felder“am Ende, wer auf seinem Feld die meisten Kartoffeln erntet. „Und wer am effizientesten gearbeitet hat“, ergänzt Dietz Wiechers schnell, der Sprecher der Junglandwirte. (Das muss er sagen: Die Journalisten haben derzeit die dickeren Kartoffeln. Sie haben aber auch schon mehr Geld ausgegeben als die Junglandwirte.)
„Welche Sorte habt ihr denn?“, fragt der Minister. „Belana“, antwortet Reckermann, 47 Jahre alt, Chefredakteur der und Chefbauer auf dem Journalistenfeld. Er bückt sich, da sitzt schon wieder so ein Kartoffelkäfer. „Muss ich mir Sorgen machen?“,
fragt Reckermann.
Die Junglandwirte haben keinen Kartoffelkäfer auf ihrem Feld. Sie haben ein Insektizid gespritzt. Die Journalisten wollen es ohne Gift versuchen.
„Ach“, tröstet der Minister fachkundig den Chefredakteur, „das sieht doch gut aus. Das ist ja wenig angefressen.“
„Super Auerochsenwurst“
Meyer, gelernter Diplomsozialwirt, galt lange als fachfremd unter Landwirten, schlimmer noch: als „Bauernschreck“, wie ihn Reckermann später in der Diskussion nennt. „Ich werde nicht geliebt“, sagt Meyer selber. Aber erschreckt hätten sich die Bauern dann doch nicht, wenn er irgendwo aufgetaucht sei. Vielleicht auch, weil Meyer in seinen inzwischen viereinhalb Ministerjahren zunehmend vermittelnd auftritt.
Also lobt er auch auf dem Feld erst einmal die „super Aktion“, die ja „bundesweit einmalig“sei und zum besseren Verständnis zwischen Journalisten und Junglandwirten beitragen werde. „Beide fühlen sich nicht richtig wahrgenommen“, hat der Politiker beobachtet.
Aber Meyer will hier auf dem Feld auch zum besseren Verständnis zwischen Landwirten und Landwirtschaftsminister beitragen, deshalb gibt es eine Fragestunde. Der
Minister zieht sein Jackett aus.
Bevor es ans Eingemachte geht, sollen die Junglandwirte den Menschen Meyer kennenlernen. Lieblingswurst?
„Wildschweinwurst“, antwortet der Minister. Oder diese „super Auerochsenwurst“.
Wenn er Tiere halten müsste, welche wären das? „Kühe.“Wenn er selbst ein Tier wäre, welches wäre das?
„So’n Rind. Wenn das draußen auf der Weide rumläuft mit Hörnern, dem geht es verhältnismäßig gut.“
Welches Buch sollte jeder Mensch gelesen haben? „Grundgesetz.“Und damit ist der Minister bei dem angelangt, was ihn und die Landwirte derzeit am meisten beschäftigt: die Gesetze.
Vorn sitzt Jungbauer Christian, 28, Schweinehalter. Er will einen neuen Stall bauen, aber ihm fehlen die gesetzlichen
Klarheiten. Was soll ich tun, was darf ich eigentlich? Meyer sagt: „Ich gebe ihm vollkommen Recht.“Zurzeit gebe es eine Reihe Gesetze, die einen Bauern daran hindern, einen alten Stall zu einem besseren neuen Stall umzubauen: Umweltgesetze, Tierseuchengesetze, Baugesetze. Er erzählt ein Beispiel aus Friesoythe, Landkreis Cloppenburg: Da sind im Immissionsschutz überall die gesetzlichen Grenzwerte erreicht, kein Stallneubau wird mehr genehmigt. Das bedeutet aber auch, dass ein Bauer, der von Spaltenboden auf einen modernen Offenstall mit Stroh umstellen möchte, das nicht darf. Der Bauer muss also den alten Stall weiterbetreiben, für den er eine unbefristete Genehmigung hat. Schlecht für den Tierschutz, schlecht für Immissionsschutz, findet Meyer. Und die Lösung? Meyer wirbt für einen „nationalen Agrarkonsens“. Eine bundesweite Expertenrunde arbeite daran, unter Beteiligung von Umweltministerium, Agrarministerium, Bauministerium. Nächstes Stichwort: Gülle. Wieder wirbt Meyer für Verständnis. „Pflanzen brauchen
Dünger“, sagt er. „Es ist richtig, dass ein Landwirt Gülle ausbringt, und natürlich riecht das auch mal. Ne Kuh schietet auch draußen.“
Aber: Meyer setzt sich auch klar für eine bodengebundene Tierhaltung ein. Soll heißen: Ein Landwirt sollte nur so viele Tiere halten, wie er auch an Gülle auf seinem Land ausbringen kann. „Aber wir haben eben einzelne Regionen, Cloppenburg, Vechta, wo deutlich zu viele Tiere sind. Und da müsste nach der jetzigen Düngeverordnung zwei Drittel austransportiert werden. Das wird nicht die Haltungsform der Zukunft sein.“
„Keine Verbote“
Verordnungen, Gesetze, Anträge. Das ist das nächste Stichwort für die Landwirte: diese Bürokratie!
Die neue Düngeverordnung mit ihren Meldepflichten! Die Pachtpreisbremse! Die fehlenden Baugenehmigungen! Dietz Wiechers, 25, der Sprecher der Junglandwirte, sagt: „Landwirtschaft nehme ich inzwischen so wahr, dass der Landwirt nur noch die ausführende Kraft ist – und andere sagen, was er zu tun hat.“
Nein, das will auch der Minister nicht. „Ich hätte gern, dass der Landwirt auf dem Acker ist und nicht im Büro.“
Und dann sagt er den Zaubersatz: Wer eine Landwirtschaft will, die tierfreundlicher ist, umweltfreundlicher und trotzdem wirtschaftlich, der muss das über Honorierung machen. „Das ist für mich der Weg, nicht Verbote!“
Schnell ist die Fragestunde vorbei. Der Minister zieht sein Jackett wieder ein und rauscht mit seiner Limousine zurück in die Hauptstadt.
Sind die Junglandwirte zufrieden mit dem Besuch des Feldschirmherrn? „Doch“, sagt Torben, 26, „das war ganz gut.“Doch jetzt ist der Minister weg, und die Probleme sind immer noch da: die Meldepflicht, das Baurecht, die Bürokratie. Außerdem der Kartoffelkäfer.
Am Feldrand steht der rote Ministereimer. Viele Käfer krabbeln nicht darin.