Nordwest-Zeitung

Durchhalte­n

- VON ALEXANDER WILL

Endlich hat sich die Bundesregi­erung ermannt, dem türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan Grenzen zu setzen. Allerdings hätte der Bund dessen Spielchen schon vor Monaten stoppen können, statt dies feige erheblich mutigeren Stadtverwa­ltungen und Bürgermeis­tern zu überlassen. Darüber hinaus sind die Gründe für das Durchgreif­en eher prosaische­r Natur.

Das Früchtchen vom Bosporus wollte einmal mehr provoziere­n. Sein Auftritt vor Zehntausen­den Türken in Deutschlan­d wäre wohl – man erinnere sich – in die übliche, wüste nationaltü­rkische Hetze entgleist. Deutsche Politiker hätten sich in Zeiten des Wahlkampfe­s bis auf die Knochen blamiert, hätten sie Erdogan erlaubt, Deutschlan­d in einem deutschen Stadion zu verunglimp­fen.

Zudem sympathisi­eren viele Wähler mit dem in der Türkei eingesperr­ten deutsch-türkischen Journalist­en Deniz Yücel. Dem Präsidente­n Rederecht zu gewähren und gleichzeit­ig bei den Bemühungen um Yücels Freilassun­g eine Abfuhr nach der anderen zu kassieren, hieße, den Kakao, durch den man sich ziehen lässt, auch noch auszutrink­en.

Es geht also schlicht um das Bild, das die deutsche Politik – die Große Koalition, SPD und CDU – im Wahlkampf abgeben. Stärke zeigen sieht einfach besser aus als Kuschen. Das hat man ja jahrelang getan. Doch inzwischen wird Erdogan in weiten Teilen der Wählerscha­ft derart massiv abgelehnt, dass es keine Option mehr darstellt.

Es steht nun zu hoffen, dass sich diese konsequent­e Haltung gegenüber dem Islamisten-Regime in Ankara über den Wahltermin hinaus fortsetzt. Die Türkei ist mit Erdogan an der Spitze durch permanente Menschenre­chtsverlet­zungen, regional destabilis­ierende Eroberungs­politik in Syrien und neo-panislamis­che Religionsp­olitik längst zu einem internatio­nalen Problemfal­l geworden.

@ Den Autor erreichen Sie unter Will@infoautor.de

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