Senioren als Opfer – das sind die Tricks der Gauner
Banden nehmen gutmütige ältere Menschen schamlos aus – Hochprofessionell organisiert
Nur wer sich im „Betrüger-Seminar“besonders gut macht, bringt es zum Anrufer. Ziel ist, die Opfer, 25 bis 30 Sekunden am Hörer zu halten – dann sei das Eis meist gebrochen.
OLDENBURGER LAND – JHallo Oma, rate mal, wer hier spricht. Die Lena, richtig. Ich konnte mich lange nicht melden, habe ja immer wenig Zeit, das weißt Du ja. Ich bräuchte mal Deine Hilfe. Ich habe eine tolle Wohnung gefunden, kann aber die Kaution nicht bezahlen. Kannst Du mir das Geld leihen? Ich bin gerade in Berlin, würde aber heute Nachmittag eine Freundin vorbeischicken, um das Geld abzuholen. Die Beate, die kennst Du doch noch von früher. Oma, Du bist wirklich klasse.“
So oder so ähnlich läuft der Enkeltrick am Telefon ab. „Und der Klassiker funktioniert immer noch“, weiß Reinhard Schölzel, Beauftragter für Kriminalprävention bei der Polizeiinspektion Oldenburg-Stadt/Ammerland. Er kennt die Strukturen der Banden, die hinter diesen miesen Betrügereien stecken in- und auswendig. „Das ist organisierte Kriminalität, die machen das hochprofessionell“, sagt der Kriminaloberkommissar. Innerhalb der Banden gebe es Logistiker, Geldverwalter, Abholer und natürlich die Telefonierer. Wer sich in einem von Psychologen geleiteten „Seminar“besonders gut mache, habe das Zeug zum Telefonierer. Für die gelte es, ihre Opfer 25 bis 30 Sekunden am Telefon zu halten, dann sei das Eis meist gebrochen.
Eine bevorzugte Anrufzeit sei 11 Uhr. „Dann haben viele ältere Leute sich fertig gemacht, gefrühstückt, in Ruhe die Zeitung gelesen und sind vielleicht auch froh, wenn mal jemand anruft.“Dann müsse alles ganz schnell gehen, damit die Senioren nicht ins Grübeln kommen oder gar noch Angehörige um Rat fragen.
„Je älter, desto besser. Demenzkranke, Vereinsamte, Schwerhörige und sehschwache Menschen gehören zur bevorzugten Zielgruppe der Täter“, erläutert Schölzel, der in Altenheimen, Kirchengemeinden, Nachbarschaftsgruppen und Vereinen immer wieder über den Enkeltrick spricht und vor den miesen Maschen der fiesen Betrüger
warnt. Mit Erfolg. 98 Prozent der Angerufenen legen sofort auf. „Und das ist auch gut so“, sagt der Experte der Polizei, fügt aber hinzu: „Wenn aber von 300 Menschen, die durchschnittlich jeden Tag angerufen werden, nur eine Person reinfällt und 3500 Euro abholt, sind das nach 30 Tagen schon
mehr als 100 000 Euro.“
Um sogar 8000 Euro drehte es sich vorige Woche bei einem älteren Ehepaar aus Hude (Kreis Oldenburg). Unbekannte gaben sich laut Polizei als Enkel aus und täuschten eine finanzielle Notlage vor. Das Paar, 74 und 79 Jahre alt, übergab schließlich das
Bargeld in Höhe von 8000 Euro an eine unbekannte Person.
Werden Täter in der Region dingfest gemacht, ist es laut Schölzel indes kaum möglich, an die oftmals im Ausland sitzenden Hintermänner der Banden zu gelangen. „Die Abholer werden bewusst dumm
gehalten, damit sie gar nicht erst in Versuchung kommen, die Strukturen aufzudecken und die Strippenzieher zu verraten“, erläutert Schölzel, der allen Betroffenen rät, in jedem Fall zur Polizei zu gehen und sich im Falle eines mysteriösen Anrufs unter 110 an die Polizei zu wenden.