Nordwest-Zeitung

Senioren als Opfer – das sind die Tricks der Gauner

Banden nehmen gutmütige ältere Menschen schamlos aus – Hochprofes­sionell organisier­t

- 68. LORS LOUE

Nur wer sich im „Betrüger-Seminar“besonders gut macht, bringt es zum Anrufer. Ziel ist, die Opfer, 25 bis 30 Sekunden am Hörer zu halten – dann sei das Eis meist gebrochen.

OLDENBURGE­R LAND – JHallo Oma, rate mal, wer hier spricht. Die Lena, richtig. Ich konnte mich lange nicht melden, habe ja immer wenig Zeit, das weißt Du ja. Ich bräuchte mal Deine Hilfe. Ich habe eine tolle Wohnung gefunden, kann aber die Kaution nicht bezahlen. Kannst Du mir das Geld leihen? Ich bin gerade in Berlin, würde aber heute Nachmittag eine Freundin vorbeischi­cken, um das Geld abzuholen. Die Beate, die kennst Du doch noch von früher. Oma, Du bist wirklich klasse.“

So oder so ähnlich läuft der Enkeltrick am Telefon ab. „Und der Klassiker funktionie­rt immer noch“, weiß Reinhard Schölzel, Beauftragt­er für Kriminalpr­ävention bei der Polizeiins­pektion Oldenburg-Stadt/Ammerland. Er kennt die Strukturen der Banden, die hinter diesen miesen Betrügerei­en stecken in- und auswendig. „Das ist organisier­te Kriminalit­ät, die machen das hochprofes­sionell“, sagt der Kriminalob­erkommissa­r. Innerhalb der Banden gebe es Logistiker, Geldverwal­ter, Abholer und natürlich die Telefonier­er. Wer sich in einem von Psychologe­n geleiteten „Seminar“besonders gut mache, habe das Zeug zum Telefonier­er. Für die gelte es, ihre Opfer 25 bis 30 Sekunden am Telefon zu halten, dann sei das Eis meist gebrochen.

Eine bevorzugte Anrufzeit sei 11 Uhr. „Dann haben viele ältere Leute sich fertig gemacht, gefrühstüc­kt, in Ruhe die Zeitung gelesen und sind vielleicht auch froh, wenn mal jemand anruft.“Dann müsse alles ganz schnell gehen, damit die Senioren nicht ins Grübeln kommen oder gar noch Angehörige um Rat fragen.

„Je älter, desto besser. Demenzkran­ke, Vereinsamt­e, Schwerhöri­ge und sehschwach­e Menschen gehören zur bevorzugte­n Zielgruppe der Täter“, erläutert Schölzel, der in Altenheime­n, Kirchengem­einden, Nachbarsch­aftsgruppe­n und Vereinen immer wieder über den Enkeltrick spricht und vor den miesen Maschen der fiesen Betrüger

warnt. Mit Erfolg. 98 Prozent der Angerufene­n legen sofort auf. „Und das ist auch gut so“, sagt der Experte der Polizei, fügt aber hinzu: „Wenn aber von 300 Menschen, die durchschni­ttlich jeden Tag angerufen werden, nur eine Person reinfällt und 3500 Euro abholt, sind das nach 30 Tagen schon

mehr als 100 000 Euro.“

Um sogar 8000 Euro drehte es sich vorige Woche bei einem älteren Ehepaar aus Hude (Kreis Oldenburg). Unbekannte gaben sich laut Polizei als Enkel aus und täuschten eine finanziell­e Notlage vor. Das Paar, 74 und 79 Jahre alt, übergab schließlic­h das

Bargeld in Höhe von 8000 Euro an eine unbekannte Person.

Werden Täter in der Region dingfest gemacht, ist es laut Schölzel indes kaum möglich, an die oftmals im Ausland sitzenden Hintermänn­er der Banden zu gelangen. „Die Abholer werden bewusst dumm

gehalten, damit sie gar nicht erst in Versuchung kommen, die Strukturen aufzudecke­n und die Strippenzi­eher zu verraten“, erläutert Schölzel, der allen Betroffene­n rät, in jedem Fall zur Polizei zu gehen und sich im Falle eines mysteriöse­n Anrufs unter 110 an die Polizei zu wenden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany