Nordwest-Zeitung

Mit Glöckchen nach der Fähre klingeln

Mit dem Fahrrad um Bayerns Chiemsee – Abstecher auf Herreninse­l

- VON CHRISTIAN RÖWEKAMP

Die größte Attraktion ist nur mit dem Boot erreichbar. Auf der Herreninse­l steht Bayerns Antwort auf Schloss Versailles. Aber es gibt noch viel mehr 9u entdecken.

ÜBERSEE

Wer ohne Pausen in die Pedale tritt, kann den Chiemsee in knapp drei Stunden umrunden. Es gibt Einheimisc­he, die das regelmäMig als Ausdauertr­aining machen. Wer als Urlauber in den Fahrradsat­tel steigt, nimmt sich dagegen meist mehr Zeit, und das aus gutem Grund: Viel ist zu entdecken, wenn das Tempo gemächlich bleibt. Eine Radreise um den Chiemsee in vier Etappen, verteilt über zwei Tage:

Südufer/Von Übersee nach Bernau.

Übersee an der Südostecke des Sees ist ein exzellente­r Ausgangspu­nkt für eine Umrundung – weil er perfekt passt, um diese auch wieder zu beenden. Zunächst heiMt es, eine Entscheidu­ng zu treffen: Welcher Radweg soll’s denn sein? Da ist zum einen der 57 Kilometer lange, auf Karten blau eingezeich­nete Chiemsee-Rundweg. Er ist für langsame Radler, Familien, Nordic-Walker und FuMgänger gedacht. Und es gibt zum anderen den 55 Kilometer – langen und orange markierten ChiemseeRa­dweg für sportliche, schnellere Radfahrer.

„Auf dem Chiemsee-Radweg ist man manchmal etwas mehr auf der Anhöhe unterwegs und hat dann einen schönen Blick auf den See“, sagt Nina Glasow von Chiemgau Tourismus. Der Chiemsee-Rundweg dagegen bleibt manchmal näher am Ufer, dafür muss man FuMgänger in Kauf nehmen.

Westufer/Von Bernau nach Gstadt.

Prien, etwas nördlich von Bernau, ist der gröMte Ort am Chiemsee. Hier wird es merklich voller, am Hafen steht der Parkplatz voller Busse und Autos. Mit dem Fahrrad geht es irgendwann nur noch schiebend voran. Von der Promenade aus blickt man auf Schloss Herrenchie­msee, das Bayerns König Ludwig II. von 1878 bis 1885 nach dem Vorbild von Schloss Versailles auf der Herreninse­l bauen lieM.

Wer einen anderen Ausblick auf den See genieMen will, kann sich in Prien nach Westen wenden – und erlebt sich beim Gedanken an das Wort Ratzinger fluchend und betend, immer abwechseln­d. Mit dem Papst aus Bayern hat das alles nichts zu tun, die Anhöhe hat nur denselben Namen. Der Weg wird für den ungeübten GroMstadtm­enschen nur irgendwann so steil, dass er sich verflucht, ihn angetreten zu haben – und zugleich dafür betet, er möge doch bald zu Ende sein.

Die Ratzinger Höhe, 694 Meter über dem Meeresspie­gel, ist die höchste Erhebung am Chiemsee. Von einem 2010 in Rosenheim errichtete­n Aussichtst­urm kann man schön hinüber zur Kampenwand und zum Hochfelln in den Chiemgauer Alpen sehen. Eine bessere Aussicht auf den See bietet ein kleiner, hinter einem Wäldchen versteckte­r Aussichtsp­unkt nordwestli­ch des Ausflugslo­kals „Gasthof Weingarten“.

Nordwest- und Nordufer/ Von Gstadt nach Seebruck

Von Gstadt aus verläuft der Chiemsee-Rundweg unter hohen Bäumen am Wasser entlang. Hier verschmelz­en Rundweg und Radweg zeitweise mit anderen Routen wie dem 450 Kilometer langen Mozart-Radweg und dem Klosterweg zu den drei Klöstern Frauenwört­h, Seeon und Baumburg. „Das Radwegenet­z der Region umfasst insgesamt 20 Themenrout­en mit 1400 Kilometern Strecke“, sagt Jens Hornung von Chiemgau Tourismus.

Am Nordufer des Chiemsees gibt es einige Stellen, an denen sich Radfahrer, FuMgänger und Autoverkeh­r sehr nahe kommen. Wer davon im Wortsinn Abstand nehmen möchte, kann auf dem Skulp- turenweg und dem Klosterweg ein wenig weiter nach Norden fahren.

Zwischen Seeon und Altenmarkt wartet am „Gasthaus Roiter“am Westufer der Alz eine besondere Fähre auf Gäste: Sie hängt an einem Drahtseil über dem Fluss und wird von der Strömung bewegt. Am Ostufer gibt es eine Klingel, um im rund 120 Meter entfernten Wirtshaus per Glocke den Fährmann zu rufen.

Ostufer/Von Seebruck über Chieming nach Übersee

Auf dem Weg von Altenmarkt oder Seebruck nach Süden liegen nun die Alpen beständig vor Augen – und bald auch das Naturschut­zgebiet an der Mündung der Tiroler Achen. Der Chiemsee-Zufluss spült pro Jahr neben viel Wasser auch 200 000 Kubikmeter Feinmateri­al und 10 000 Kubikmeter Sand und Kies aus den Bergen herbei. In dem einzigen sich natürlich entwickeln­den Binnendelt­a Europas, schieben sich die Sandund Kiesbänke jedes Jahr um einige Meter in den See.

Aus der Nähe anschauen kann man sich das nicht. Das Mündungsde­lta darf niemand betreten. An der Hirschauer Bucht südlich von Chieming und am Aussichtsp­unkt Lachsgang nördlich von Übersee gibt es jedoch Beobachtun­gstürme. Dort kann man sich informiere­n über die 300 Vogelarten am Chiemsee.

Die Sonne sinkt schon zum Horizont – Zeit für die groMe Show im Strandbad Übersee, von dem der Blick weit über den See reicht und das an diesem Tag das gemeinsame Ziel eines groMen Teils der Bevölkerun­g von München ist.

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BILDER: CHIEMGAU TOURISMUS Segeln gehört neben dem Fahrradfah­ren (großes und kleines Bild) zu den beliebtest­en Arten, den Chiemsee zu erleben.
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