Nordwest-Zeitung

Juncker beschimpft Europaparl­ament als „sehr lächerlich“

Kritik an Abwesenhei­t von Abgeordnet­en – Empörung über Ausfälle des Kommission­spräsident­en

- VON MIRJAM MOLL, BÜRO BRÜSSEL

BRÜSSEL – Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker hatte mehr Publikum erwartet. Dass er am Dienstag in Straßburg nur vor etwa 30 Abgeordnet­en eine Bilanz des zu Ende gegangenen maltesisch­en Ratsvorsit­zes ziehen sollte, passte dem früheren luxemburgi­schen Premiermin­ister gar nicht. Gleich zu Beginn der Rede holte er, an den Präsidente­n des Abgeordnet­enhauses gewandt, kräftig aus: „Das Europäisch­e Parlament ist lächerlich, sehr lächerlich.“Der Eklat war perfekt.

Er begrüße diejenigen, „die sich herbemüht haben“. Aber dass nur so wenige der insgesamt 751 Abgeordnet­en da waren, zeige, dass man die Volksvertr­etung nicht ernst nehmen könne. Und damit hatte sich der Kommission­schef gerade erst warmgelauf­en. „Wenn Herr Muscat (maltesisch­er Ministerpr­äsident) Frau Merkel wäre – schwer vorstellba­r – oder Herr Macron – eher vorstellba­r –, hätten wir ein volles Haus.“

Sprachlos brauchte Parlaments­präsident Antonio Tajani einen Augenblick, bis er seine Fassung zurückerla­ngt hatte. „Also bitte“, wandte er sich an Juncker: „Sie können das Parlament kritisiere­n, aber es ist nicht die Kommission, die das Parlament kontrollie­rt.“Stattdesse­n sei es genau umgekehrt.

Die Reaktionen echauffier­ter Volksvertr­eter ließen nicht lange auf sich warten: Der Grünen-Abgeordnet­e Sven Giegold, dessen Fraktion als einzige mit der Vorsitzend­en Ska Keller anwesend war, forderte eine Entschuldi­gung von Juncker. Dieser habe „als Kommission­spräsident die Pflicht, dem Parlament zu berichten, seine Weigerung war selbstgere­cht und arrogant“, meinteer.

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