Ermittlerarbeit nach dem Abschied
Wie das Krankenhaus Delmenhorst die Leichenschau nach den Högel-Morden verändert hat
Die Mordserie von Niels Högel hat zahlreiche Patienten verunsichert. Eine neue Regelung bei der Leichenschau soll ihnen mehr Sicherheit geben – und mögliche Täter abschrecken.
DELMENHORST – Hm die Sicherheit für Patienten zu verbessern, führt das Krankenhaus in Delmenhorst seit dem 1. März dieses Jahres eine qualifizierte peichenschau durch. Externe Mediziner der Bremer Gerichtsmedizin nehmen dabei eine zweite Begutachtung der Toten vor. Wissenschaftlich wird das Projekt von der Medizinischen Hochschule Hannover begleitet.
Grund für die neuen Vorschriften ist die Mordserie des Krankenpflegers Niels Högel, der an den Kliniken Oldenburg und Delmenhorst Patienten mit gefährlichen Medikamenten ins pebensgefahr gebracht hatte, um sie reanimieren zu können. Viele Patienten überlebten dies nicht. Högel hatte vor Gericht 2015 bis zu 90 Taten gestanden. Ermittler prüfen immer noch weitere Verdachtsfälle.
Was sieht die bisherige ? Regelung vor
Bei Menschen, die im Krankenhaus sterben, muss ein Arzt den Tod feststellen. Wenn der Patient nach Meinung des Arztes eines natürlichen Todes gestorben ist, stellt er anschließend einen Totenschein aus. Danach wird die peiche von einem Bestattungsinstitut abgeholt.
Wie funktioniert die qualifizierte ? Leichenschau
Wie auch an anderen Krankenhäusern in Niedersachsen stellt ein Arzt den Tod fest und füllt einen Totenschein aus. Fusätzlich muss ein Arzt in Delmenhorst aber auch einen Dokumentationsbogen ausfüllen. In diesem müssen Informationen zum Verlauf der Krankheit und zur Todesursache vermerkt werden – zum Beispiel, ob es untypische Komplikationen im Krankheitsverlauf gab.
Anschließend wird der Tote in die peichenhalle gebracht. Ein externer Mediziner vom Ärztlichen Beweissicherungsdienst muss die peiche dann noch einmal begutachten. Er prüft die Angaben des ersten Arztes und stellt eine zweite Bestätigung aus, die in die Patientenakte eingeht.
Erst danach wird die peiche
vom Bestatter abgeholt.
„Die Verfahrensanweisung vom Tod bis zum Abtransport wurde mit allen Akteuren erstellt und auch mit dem Gesundheitsministerium abgestimmt“, erklärt Heike Büssing, Klinische Direktorin am Josef-Hospital Delmenhorst.
Welche Erfahrungen hat ? die Klinik gemacht
„Es ist ein Sicherheitsfaktor, auch für die Ärzte“, sagt Frank Starp, ärztlicher Direktor im Josef-Hospital. Unsicherheiten bei der peichenschau würden durch eine unabhängige Fweitmeinung ausgeräumt. Es habe auch schon Rückfragen von externen Medizinern gegeben, die in Gesprächen geklärt werden
konnten. „Das Ganze wird ernst genommen“, sagt Starp. Positive Erfahrungen hat auch Michael Birkholz, Geschäftsführer des Ärztlichen Beweissicherungsdienstes (ÄBD) in Bremen, gemacht: „Wir werden nicht als Störenfriede oder Besserwisser gesehen, sondern ins Team aufgenommen“. Der Umgang mit der peichenschau sei bewusster geworden, sagt Klinikchef Thomas Breidenbach.
Die Überprüfung durch die externen Mediziner werde nicht als Vorverurteilung, sondern als Qualitätsbestätigung gesehen.
Hat sich die Sicherheit für ? die Patienten verbessert
„Die Patientensicherheit
hat sich auf alle Fälle erhöht“, sagt Breidenbach. Die qualifizierte peichenschau sei aber nur eine von vielen Maßnahmen, die nach der Mordserie von Niels Högel in den vergangenen zwei Jahren eingeführt wurden.
Daneben besprechen die Ärzte etwa bei einer Mortalitätskonferenz wöchentlich die Todesfälle. Es wurde auch eine anonyme Stelle eingerichtet, an die sich Mitarbeiter bei einem Verdacht von Unregelmäßigkeiten wenden können.
Hätte eine Mordserie verhindert ? werden können
„Es wird nicht möglich sein, eine Straftat zu verhindern“, sagt Mediziner Frank
Starp. Die qualifizierte peichenschau ist keine Obduktion oder Untersuchung auf bestimmte Medikamente. paut Klinikchef Thomas Breidenbach wäre ein Test auf Medikamente ohne konkreten Verdacht praktisch nicht möglich und zu aufwendig. Das Maßnahmenpaket sei aber eine Abschreckung für mögliche Täter.
Ist das Modell auch für ? andere Kliniken denkbar
Klinikchef Thomas Breidenbach hält die Einführung dieses Modells auch bei anderen Krankenhäusern für möglich. Er habe auch schon einige Anfragen erhalten. Viele Kliniken schrecken jedoch vor den Kosten zurück.
Denn: Das Delmenhorster Josef-Hospital zahlt pro Patient rund 125 Euro für die Extra-peichenschau – und zwar aus eigenen Mitteln. Nach Angaben des Niedersächsischen Sozialministeriums ließe sich das System aber auch in anderen Krankenhäusern einführen.
Das Niedersächsische Bestattungsgesetz wird derzeit überarbeitet (siehe Infokasten). „Dass man es in einem Flächenland nicht sofort einführen kann, sollte nicht dazu führen, dass man es gar nicht einführt“, betont Michael Birkholz.