In Geiselhaft
Jetzt schlägt sie wieder: die Stunde der Scharfmacher, die Stunde derjenigen, die nach einem starken Staat rufen, nach einfachen Lösungen. Das Problem: Es gibt keine einfachen Lösungen. Eine Räumung der „Roten Flora“in Hamburg wäre maximal ein Placebo, vor allem aber wäre sie dumm, kurzsichtig und würde nichts verbessern. Sie würde die Stadt ärmer machen und das Schanzenviertel des letzten Restes seiner Identität berauben.
Die Ausschreitungen rund um den G20-Gipfel waren gefährlich, kriminell, asozial. Sie stehen aber nicht stellvertretend für die linke Szene. Am Samstag demonstrierten 76 000 Menschen – darunter unzählige Autonome – in Hamburg friedlich gegen den Klimawandel, gegen Kapitalismus, dagegen, dass die Gruppe der Zwanzig den Reichtum dieser Welt unter sich aufteilt. Die Zahl derer, die am Tag zuvor im Schanzenviertel wüteten, war im Vergleich winzig. Die Wirkung der Bilder, die sie produzierten, dafür umso größer. Die Krawallmacher, egal ob politisch motiviert oder einfach nur nach Gewalt dürstend, müssen bestraft werden. Alle anderen in ihrem Dunstkreis in Geiselhaft zu nehmen, wäre hingegen einfach falsch.
Die „Rote Flora“ist keine terroristische Brutstätte. Sie ist ein wichtiger Teil der Gegenkultur, ein wichtiger Teil Nonkonformismus. Dass Linksautonome aber auch ein Gewaltproblem haben, ist nicht erst seit dem vergangenen Wochenende bekannt. Dass sie von den Sicherheitsbehörden mit Samthandschuhen angefasst werden, ist hingegen schlicht falsch. Allein in der „Roten Flora“flogen in den vergangenen Jahren vier verdeckte Ermittler des Staatsschutzes auf.
Trotzdem müssen sich auch die Autonomen die Frage stellen, wie sie ihre politischen Ziele erreichen wollen. Schließlich sehen auch Strömungen innerhalb der Szene Gewalt als legitimes Mittel und alles Staatliche als Feind – vor allem die Polizei. Stellen sich die Aktivisten der „Flora“diese Frage nicht oder heißt die Antwort „mit Gewalt“, müssen sie sich nicht über eine harte Reaktion des Staates wundern. @ Den Autor erreichen Sie unter Robert.Otto@infoautor.de