Nordwest-Zeitung

Orwells Land

- VON ALEXANDER WILL

In der Türkei ist Realität, was George Orwell in seiner düsteren Zukunftsvi­sion „1984“einst beschrieb: Umwertung der Begriffe, Manipulati­on der Wahrnehmun­g und freies Denken als Risiko. „Krieg ist Frieden; Freiheit ist Sklaverei; Unwissenhe­it ist Stärke“, schrieb der Brite.

Der Große Bruder Recep Tayyip Erdogan mobilisier­t am Jahrestag des versuchten Putsches seine Anhänger zu „Demokratie­wachen“. Dabei gibt es Demokratie schon längst nicht mehr. Wenn davon in der Türkei die Rede ist, dann meint das Wort die Autokratie des Präsidente­n. Zehntausen­de sitzen unter Vorwänden im Gefängnis. Erst in den vergangene­n Tagen führte das Regime einen Schlag gegen Professore­n und Intellektu­elle, viele haben das Land ohnehin bereits verlassen. Mit der Gülen-Bewegung hat sich Erdogan einen Popanz geschaffen, mit dem jeder Übergriff zu rechtferti­gen ist. Gülen-Verdacht reicht, und man findet sich im Loch wieder oder verliert seine Existenz. Der Präsident hat den dilettanti­schen Putsch konsequent genutzt, um seine Macht zu festigen. Die größte Opposition­spartei CHP darf das Feigenblat­t der Diktatur spielen. In Syrien führt Erdogan unbehellig­t Krieg. Die Türkei wirkt dort alles andere als stabilisie­rend.

Geht das so weiter, könnte am Bosporus eine andere Orwellsche Vision aus „1984“Realität werden: „Wenn Sie ein Bild von der Zukunft haben wollen, so stellen Sie sich einen Stiefel vor, der auf ein Gesicht tritt. Unaufhörli­ch.“

@ Den Autor erreichen Sie unter Will@infoautor.de

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