Orwells Land
In der Türkei ist Realität, was George Orwell in seiner düsteren Zukunftsvision „1984“einst beschrieb: Umwertung der Begriffe, Manipulation der Wahrnehmung und freies Denken als Risiko. „Krieg ist Frieden; Freiheit ist Sklaverei; Unwissenheit ist Stärke“, schrieb der Brite.
Der Große Bruder Recep Tayyip Erdogan mobilisiert am Jahrestag des versuchten Putsches seine Anhänger zu „Demokratiewachen“. Dabei gibt es Demokratie schon längst nicht mehr. Wenn davon in der Türkei die Rede ist, dann meint das Wort die Autokratie des Präsidenten. Zehntausende sitzen unter Vorwänden im Gefängnis. Erst in den vergangenen Tagen führte das Regime einen Schlag gegen Professoren und Intellektuelle, viele haben das Land ohnehin bereits verlassen. Mit der Gülen-Bewegung hat sich Erdogan einen Popanz geschaffen, mit dem jeder Übergriff zu rechtfertigen ist. Gülen-Verdacht reicht, und man findet sich im Loch wieder oder verliert seine Existenz. Der Präsident hat den dilettantischen Putsch konsequent genutzt, um seine Macht zu festigen. Die größte Oppositionspartei CHP darf das Feigenblatt der Diktatur spielen. In Syrien führt Erdogan unbehelligt Krieg. Die Türkei wirkt dort alles andere als stabilisierend.
Geht das so weiter, könnte am Bosporus eine andere Orwellsche Vision aus „1984“Realität werden: „Wenn Sie ein Bild von der Zukunft haben wollen, so stellen Sie sich einen Stiefel vor, der auf ein Gesicht tritt. Unaufhörlich.“
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