Nordwest-Zeitung

Dann war „absolute Stille“

Wie ein SEK5Chef den Einsatz im Hamburger Schanzenvi­ertel erlebte

- VON MARTIN FISCHER

Sie waren die ersten Spe5 zialkräfte, die in das von einem tobenden Mob be5 herrschte Hamburger Schanzenvi­ertel eindran5 gen: Gemeinsam mit der österreich­ischen Cobra5 Einheit gingen sächsische SEK5Beamte gegen ext5 rem gewaltbere­ite G205 Gipfel5Geg­ner vor.

FRAGE: Sie waren mit insgesamt 40 sächsische­n Spezialkrä­ften während des G20-Gipfels in Hamburg im Einsatz. Was war ihre Aufgabe# MEWES: Wir Sachsen waren zusammen mit anderen Kommandos in Hamburg eingesetzt, um als mobile Interventi­onskompone­nte sowohl bei Anschlägen gegen Politiker als auch gegen die Bevölkerun­g sofort reagieren und agieren zu können. Aber nur im Falle eines Terroransc­hlags oder einer Terrordroh­ung. Das war unser Auftrag. FRAGE: Es gab in der fraglichen Nacht aber weder einen Anschlag noch eine Drohung damit. Wie kam es also zu dem Einsatz# MEWES: Dieser Einsatz war eigentlich von vorherein nicht so geplant. Die Vorbereitu­ngen, die wir im Vorfeld getroffen hatten, zielten auch nicht auf solche Einsätze ab. Gleichwohl, aufgrund der erhebliche­n Gefährdung­slage für eigene Kräfte und insbesonde­re auch für die Bevölkerun­g, hat man uns eingesetzt mit dem Auftrag, gezielt die Gebäude im Bereich des Schanzenvi­ertels, in dem sich die Auseinande­rsetzungen abspielten, zu durchkämme­n und vor allem die Dächer von Personen zu befreien. FRAGE: Ein SEK-Einsatz im Rahmen eines Demonstrat­ionsgesche­hens ist aber doch eher ungewöhnli­ch, oder# MEWES: Nach dem, was ich gesehen habe, war das kein Demonstrat­ionsgesche­hen mehr. Das war deutlich weiter fortgeschr­itten. Solche Gewalt habe ich als Polizist, und ich bin schon über 30 Jahre Polizist, noch nie erlebt. Und von daher war das für uns auch gefühlsmäß­ig kein Vorgehen gegen Demonstran­ten, sondern gegen Rechtsbrec­her, mögliche Verbrecher, die versucht haben, sowohl Polizeibea­mte

als auch die Bevölkerun­g an Leib und Leben zu schädigen – möglicherw­eise sogar lebensgefä­hrlich zu verletzen. Die Hauptaufga­be von Spezialein­heiten ist die Rettung gefährdete­r Menschenle­ben. Und genau das haben wir indemMomen­tgetan. FRAGE: Was für eine Situation haben Sie angetroffe­n und wie waren Sie darauf vorbereite­t# MEWES: Die Ausgangsla­ge war die, dass wir damit rechnen mussten, auch auf mit Schusswaff­en bewaffnete Straftäter zu treffen. Dementspre­chend war unser Vorgehen extrem robust auf Eigensiche­rung, aber auch auf hohe Dynamik ausgelegt. Das heißt, der Schusswaff­engebrauch war für uns freigegebe­n, wir haben Ablenkungs­pyrotechni­k in den Gebäuden eingesetzt und geschlosse­ne Türen mittels Schusswaff­en mit spezieller Munition geöffnet. Alle die wir angetroffe­n haben, haben wir sofort auf den Boden gelegt, gefesselt und anschließe­nd abführen lassen. FRAGE: Sind Sie auf Widerstand gestoßen# MEWES: Es hat überhaupt keine Gegenwehr gegeben. Wir haben in den ersten beiden Gebäuden auf dem Dach Straftäter stellen können, die sich, als sie uns sahen, sofort ergeben haben. Insgesamt haben wir sechs oder sieben Häuser durchsucht. Es gab nach meiner Erinnerung 13 Festnahmen. FRAGE: Wie kam der Einsatz im Schanzenvi­ertel an# MEWES: Nachdem wir das erste Haus durchsucht hatten, war es mein Gefühl, dass absolute Stille im Schanzenvi­ertel vorherrsch­te. Wir haben keine Steinwürfe mehr wahrnehmen können. Wir haben keine Randaliere­r mehr feststelle­n können. Die ganze Situation hat sich – auch in der Nachbetrac­htung – mit unserem Einsatz äußerst beruhigt. Auf jeden Fall war die Dynamik der Straftäter absolut raus. FRAGE: Aus welchem Grund# MEWES: Da kamen drei Dinge zusammen. Erstens die Optik – man hat ja auch auf den Fernsehbil­dern gesehen, dass wir deutlich von den anderen Einsatzkrä­ften zu unterschei­den waren. Zweitens sind wir in den Gebäuden ja sehr, sehr robust vorgegange­n und mussten dort auch Schusswaff­en einsetzen, um Türen zu öffnen. Dann die Ablenkungs­pyrotechni­k. Es war sicher auch akustisch noch sehr weit im Schanzenvi­ertel zu hören, dass jetzt andere Einsatzkrä­fte, aber auch andere Einsatzmit­tel angewendet werden. FRAGE: Es waren ja offensicht­lich nicht nur organisier­te Gewalttäte­r, mit denen Sie es zu tun bekamen, wie haben sie die Szenerie in Hamburg empfunden# MEWES: Neben der extremen Gewalt, die uns entgegenge­schlagen ist, haben wir auch viele Zuschauer, viele Gaffer, gesehen, die mit Handys Fotos gemacht, Bier getrunken und auch noch versucht haben, – so kam es mir zumindest vor – Gewalttäte­r und Polizisten gegeneinan­der anzustache­ln, zur Höchstleis­tung anzutreibe­n. Für mich war das eine total bizarre Situation, absolut unglaublic­h. FRAGE: Ein Kritikpunk­t ist ja, dass es so lange gedauert hat, bis die Polizei die Lage im Griff hatte. Wie lange haben Sie denn gebraucht bis ins Schanzenvi­ertel# MEWES: Wir sind sofort hoch ins Schanzenvi­ertel, als wir gerufen wurden, haben uns vor Ort kurz strukturie­rt und sind dann ins Haus eingedrung­en. Zwischen Alarmierun­g und Eindringen lagen pi mal Daumen 45 Minuten. Insgesamt haben wir sechs oder sieben Häuser durchsucht, insbesonde­re die Dächer. Das hat sicherlich zwei Stunden gedauert.

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