Nordwest-Zeitung

Marine-Mission muss noch warten

EU zögert mit weiterem Einsatz gegen Schleuser im Mittelmeer

- VON DETLEF DREWES, BÜRO BRÜSSEL

BRÜSSEL – Die Ohnmacht der EU war am Montag einmal mehr mit Händen zu greifen. Der Zustrom von Flüchtling­e aus Afrika über das Mittelmeer geht nahezu unverminde­rt weiter, während sich die Außenminis­ter der EU bei ihrem Treffen in Brüssel intern stritten und lähmten. Denn eigentlich wollte man am Montag das Mandat der EU-Marine-Mission „Sophia“verlängern. Es läuft am 27. Juli aus.

Doch Italien legte sich aus Verärgerun­g über die mangelnde Solidaritä­t der europäisch­e Partner quer. Das Land hat seit Jahresanfa­ng bereits rund 93 000 Hilfesuche­nde aufgenomme­n, zu einer Verteilung aber kommt es nicht. „Die Mittelmeer-Route

schließen“– das war die pointierte Forderung des österreich­ischen Außenminis­ter Sebastian Kurz, der sich zu Hause im Wahlkampf befindet und deshalb starke Auftritte braucht. Doch kraftvoll war das Erscheinun­gsbild der EU nicht, auch wenn sich die Außenbeauf­tragte der Union, die Italieneri­n Federica Mogherini, optimistis­ch gab und meinte: „Bis zum 27. Juli ist es ja noch Zeit.“Sie sehe keine „größeren Probleme, die Zustimmung zur Verlängeru­ng des Marine-Einsatzes“zu bekommen.

Dabei ist der ohnehin umstritten. Bisher haben die Vereinten Nationen ein Mandat verweigert, das es den Schiffen im Mittelmeer erlauben würde, in die geschützte Zone zwölf Seemeilen vor Libyen einzulaufe­n und dort die Schlepper daran zu hindern,

seeuntücht­ige Schlauchbo­ote mit Flüchtling­en zu überladen. Eine stabile Regierung in Tripolis, die eine solche Maßnahme billigen könnte, gibt es auch nicht. Die amtierende Übergangsr­egierung hatte der EU die Genehmigun­g für Operation in Nähe der Küste verweigert. Seither fragt Brüssel erst gar nicht mehr, um nicht noch eine Absage zu kassieren.

So blieb den Außenminis­tern am Montag nur, andere Maßnahmen zu beschließe­n: „Die EU ist bereit, Möglichkei­ten zu prüfen, um Strafmaßna­hmen auch auf Schmuggler von Migranten und Menschensc­hleuser auszuweite­n“, heißt es im Schlussdok­ument der Ministerta­gung. Soll heißen: Man droht den Hintermänn­ern der Kriminelle­n mit Sanktionen. Es heißt, einige von ihnen hätten ihr Geld in

Europa geparkt und besäßen hier auch Immobilien. Jetzt könnten die Vermögen eingefrore­n werden und Einreiseve­rbote drohen. Außerdem wurde die Ausfuhr von Außenbordm­otoren und Schlauchbo­oten untersagt. Nur Fischer dürfen noch beliefert werden.

Der bisherige Erfolg der Mission „Sophia“ist fragwürdig. Ein Gutachten des britischen Oberhauses nennt die Operation sogar einen „Reinfall“, weil die europäisch­en Marine-Soldaten mit ihren Aktivitäte­n zu noch mehr Toten im Mittelmeer beigetrage­n hätten. Es sei besser, sich allein der Seenotrett­ung zu widmen. Doch das wird man in Rom noch weniger gern hören. Denn wer auch immer aus dem Meer geholt wird, landet in Italien – und kommt von dort nicht weiter.

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AP-BILD: MORENATTI Selbst auf dem Rand des Schlauchbo­otes sitzen sie: Flüchtling­e auf dem Weg von Libyen nach Italien

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