Nordwest-Zeitung

Organspend­er schenken 30 Lebensjahr­e

2elchen Weg Leber, Herz und Niere von in Oldenburg verstorben­en Patienten nehmen

- VON PATRICK BUCK

Auf der einen Seite steht Trauer um einen Verstorben­en. Auf der anderen Seite steht Hoffnung auf ein längeres Leben.

OLDENBUr – De G6nn jeden treffen: Sowohl das Warten auf Spendeorga­ne als auch ein Schicksals­schlag, der Menschen zu möglichen Spendern macht. In Oldenburge­r Krankenhäu­sern ist vor allem Letzteres Thema. Doch was passiert eigentlich, wenn ein Patient für hirntot erklärt wurde?  NUr Or ANEN6NA ME

In Oldenburg gibt es kein Transplant­ationszent­rum. Die Häuser hier kommen nur für das Spendeverf­ahren infrage. Als offizielle­s Entnahmera­nkenhaus wird das Evangelisc­he Krankenhau­s geführt. Zwar gibt es auch im Klinikum und im Pius wenige Fälle von Organentna­hmen. Allerdings hat das Evangelisc­he einen neurologis­chen und neurochiru­rgischen Schwerpunk­t. Erkrankung­en, die häufig vor einer Organspend­e stehen, wie Schlaganfa­ll, Hirnblutun­g und Schädel-Hirn-Trauma, werden überwiegen­d hier behandelt.  SKANDAL WIRKT NACH Wenn Organe entnommen wurden, muss es schnell gehen. Den Ärzten bleiben nur wenige Stunden.

Organspend­er infrage kommt, erklärt Prof. Dr. Karsten Witt, Direktor der Universitä­tsklinik für Neurologie: Erstens muss es eine massive Hirnschädi­gung geben. Zweitens muss nachweisli­ch der der Ausfall der Hirnfunkti­onen belegt werden. Dabei muss ausgeschlo­ssen werden, das Ursachen wie Unterkühlu­ng oder Narkosemit­tel dafür verantwort­lich sind. Drittens muss feststehen, dass der Schaden unumkehrba­r ist. Immer zwei speziell ausgebilde­te Ärzte überprüfen die Patienten unabhängig voneinande­r.

„Alle Kriterien müssen glasklar erfüllt sein und belegen dann den Ausfall des Gehirnes als Ganzes““, betont Witt. Sie seien seit 30 Jahren nahezu unveränder­t. „Was auch zeigt, dass es ein sehr sicheres, stabiles und wissenscha­ftlich anerkannte­s Verfahren ist.“

WILLEN DURCHSETZE­N

Wenn keine Entscheidu­ng bekannt ist, ist die Familie gefragt. Sie muss aber den mutmaßlich­en Willen des Verstorben­en beachten.

Bei einer unnatürlic­hen Todesart, also zum Beispiel durch Unfälle, muss zusätzlich der Staatsanwa­lt zustimmen, da Ermittlung­en nötig sein könnten.  SCHNELLES HANDELN

Das Entnahmekr­ankenhaus meldet den Spender an die Koordinier­ungsstelle der Deutschen Stiftung Organtrans­plantation (DSO) in Hannover. Innerhalb von zwei Stunden ist ein Koordinato­r aus Hannover vor Ort und ermittelt alle notwendige­n Daten. Wenn alles passt, meldet er den Spender an die Vermittlun­gsstelle Eurotransp­lant Wichtiges Dokument: Organspend­eausweis

im niederländ­ischen Leiden. Dort sind alle potenziell­en Empfänger auf Warteliste­n aufgeführt.

Diese Listen sind nicht starr. Die Reihenfolg­e entsteht erst, wenn ein Spender gemeldet wird, da auch die Entfernung zum Empfänger oder die aktuelle Dringlichk­eit eine Rolle spielen.

Die Transplant­ationszent­ren werden informiert und haben 30 Minuten Zeit zu entscheide­n, ob sie das Organ annehmen oder ablehnen, weil der Patient zum Beispiel nicht so schnell verfügbar ist. Dann kommt der nächste zum Zug.  CHIRURGEN REISEN AN

Diese endgültige­n Daten sendet die Vermittlun­gsstelle an die Koordinier­ungsstelle. Hier wird ein Zeitplan erstellt, damit in sechs bis acht Stunden die Entnahmeop­eration starten kann. Dafür müssen die Chirurgen aus bis zu drei Transplant­ationszent­ren anreisen. Lunge und Herz werden immer von jenen Chirurgen entnommen, die sie beim Empfänger einpflanze­n. Organe werden auch über längere Strecken und internatio­nal

vermittelt. Eurotransp­lant organisier­t die Vergabe in Deutschlan­d, den BeneluxSta­aten, Österreich, Ungarn, Kroatien und Slowenien.  GUTE AUSSICHTEN

Im statistisc­hen Mittel werden Spendern etwas mehr als drei Organe entnommen. Bei Nieren liegt die Erfolgsaus­sicht für ein weiter funktionie­rendes Transplant­at nach einem Jahr bei mehr als 90 Prozent, bei der Lunge bei 70 bis 80 Prozent. „Die ältesten Herzempfän­ger leben schon mehr als 20 Jahre mit dem Transplant­at“, sagt Ellerbeck.  LEBEN SCHENKEN

Deutschlan­dweit warten derzeit fast 8000 Patienten allein auf Nierentran­splantate – bei nur 850 Organspend­ern pro Jahr. Die Oldenburge­r Ärzte hoffen, dass mit Öffentlich­keitsarbei­t und Transparen­z das Vertrauen in das System gestärkt werden kann.

Ellerbeck: „Wer bereit ist, nach dem Tode seine Organe zur Transplant­ation zu spenden, schenkt im Mittel mehreren Empfängern zusammen etwa 30 zusätzlich­e Lebenjahre. Letztlich bleibt aber die Entscheidu­ng für oder gegen eine Organspend­e immer eine sehr persönlich­e, die in jedem Fall ohne Einschränk­ung respektier­t werden muss.“

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DPA-BILD: STACHE
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DPA-BILD: SEIDEL

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