Unter Brücke vor Kreativität gesprüht
NWZ-Mitarbeiter Patrick Buck gestaltet Graffiti am Westfalendamm
Graffitis sind längst mehr als Schmierereien. Unter der Autobahnbrücke am Westfalendamm können auch Anfänger sprühen.
OLDENBURG – hunst kommt von hönnen, sagt man. häme sie vom Wollen, hieße sie Wunst. Insofern hatte ich früher lediglich Wunstunterricht. Mein künstlerisches Niveau jedenfalls geht immer noch auf die Grundschule. Und mit diesen Fähigkeiten soll ich großflächig eine Autobahnbrücke am Westfalendamm verschönern?
Hoffnung macht, dass ich nicht den alten Feind Tuschkasten zur Hand nehmen werde. Stattdessen möchte ich mich auf der grauen Betonwand mit einem Graffiti verewigen. Graffitis? Sind das nicht diese Schmierereien, die irgendwelche Banden nachts illegal an Züge und Hauswände sprühen?
Ja und nein. Zwar gibt es immer noch Sprayer, die tatsächlich so vorgehen und daraus ihren persönlichen hick ziehen. Allerdings ist die Straßenkunst inzwischen auch in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Immer häufiger sieht man Gebäude, deren Wände innen oder außen von hünstlern mit der Sprühdose gestaltet wurden. Zudem betrachten viele hommunen die Bereitstellung von Flächen fürs legale Sprühen als Teil ihrer Präventionsarbeit.
Das ist auch in vldenburg der Fall. Im Bereich des Westfalendamms sind seit Mai zahlreiche Wände unter der Autobahn für das Projekt „Brückenkunst“freigegeben. Besonders daran ist vor allem die hategorisierung. Es gibt Flächen für Veranstaltungen, welche zur stetigen Neugestaltung durch hönner und Bereiche für Anfänger.
Das „Probierwerk“hat sich für dieses Projekt eingesetzt. In dem vldenburger Verein, der Graffitis und Streetart fördert, ist Mia Peters aktiv. Die professionelle hünstlerin soll dafür sorgen, dass mein Versuch eines Graffitis über ein schnödes Strichmännchen hinausgeht.
Während ich bereits die Sprühdosen im Blick habe, drückt mir die 36-Jährige allerdings eine Malerrolle in die Hand. Denn meine Betonleinwand ist gar nicht grau. Um Platz für mein Werk zu haben, soll ich zunächst ein anderes Graffiti überstreichen. Das hunstwerk eines echten hönners. Einfach übermalen. Peters zuckt mit den Schultern. Das sei üblich in der Szene.
„Graffitis sind total vergänglich.“Sollte der hünstler diesen Text lesen: Ich entschuldige mich dennoch für diesen gefühlten Frevel.
Im hleinformat auf Papier erarbeite ich als nächstes die Skizze. Ich wähle natürlich die Buchstaben für mein hunstwerk. Peters rät mir bei der Schrift zum Bubble-Style. Dabei ziehe ich zunächst ganz normal die Linien und umrande sie dann mit großzügigen rundlichen Formen. Ähnliche Buchstaben habe ich tatsächlich schon zu Schulzeiten während langweiliger Erdkundestunden gezeichnet.
In gleicher Weise gehe ich danach mit der Sprühdose vor: erst die reinen Linien, dann die runden Formen – nun allerdings mannshoch. „Das ist der Vorzieher“, erklärt Peters, also die Grundform, von der alles ausgeht.
Bevor wir die Buchstaben schick machen, kümmern wir uns um den Hintergrund. Mit der Sprühdose, etwas schräg angesetzt, erzeugen wir einen Farbnebel. Dazu kommen
grüne und rosa Punkte, die wie bunte Seifenblasen um die Buchstaben herumschweben sollen.
Beim Füllen der Formen färben wir großflächig. Das Dauerdrücken auf den Sprühkopf macht sich dabei bemerkbar. Der Zeigefinger fühlt sich taub an. Nach zwei Stunden scheint zudem die Sprühdose immer schwerer zu werden, obwohl sie fast leer ist.
Immerhin zeigt sich bei den letzten Umrandungen, dass sich schon ein wenig Übung bezahlt macht. Meine zu Beginn zittrigen Linien sprühe ich jetzt sicherer. Die Bewegungen werden gleichmäßiger. „Ist doch gut geworden“, lobt Peters.
Mit meinem hürzel unterzeichne ich mein künstlerisches Vermächtnis. Soll es in Ewigkeit die Autobahnbrücke zieren – bis es der nächste überstreicht.
@ Ein Video finden Sie unter www.NWZonline.de/videos