Nordwest-Zeitung

Wie geht es weiter mit Trump?

Russland-Affäre schadet US-Präsident – Sechs mögliche Szenarien

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Er habe die „vollständi­ge Macht“zu Begnadigun­gen in der Russland-Affäre, ließ Donald Trump am Wochenende über Twitter wissen. Das heizte in den USA die Spekulatio­nen an: Wird der durch täglich neue Enthüllung­en immer stärker unter Beschuss stehende Präsident Mitglieder seiner Familie oder sogar sich selbst Immunität verleihen? Und wird Trump demnächst versuchen, sich des so unbequemen Justiz-Sonderermi­ttlers Robert Mueller zu entledigen? Beobachter in Washington sehen mindestens ein halbes Dutzend Szenarien – und nur ein einziges hätte für den Präsidente­n einen wirklich positiven Ausgang. 1. Donald Trump befiehlt seinem Justizmini­ster Jeff Sessions (mit dem er sich ebenfalls zerstritte­n hat), Sonderermi­ttler Mueller zu entlassen. Sessions weigert sich und tritt aus Protest zurück. Das Weiße Haus fordert nun die Stellvertr­eter von Sessions auf, Mueller die Papiere zu geben. Auch diese beiden Beamten geben auf. Schließlic­h findet Trump einen untergeord­neten Offizielle­n im Ministeriu­m, der Mueller entlässt. Die Demokraten sehen dies als weiteres Indiz für eine illegale Justizbehi­nderung und fordern eine Amtsentheb­ung, doch unter den Republikan­ern gibt es dafür keine Mehrheit. Trump bleibt im Amt, seine Partei verliert bei den Zwischenwa­hlen 2018 stark. 2. Szenario zwei: Trump gelingt es, Sonderermi­ttler Mueller zu feuern. Doch der Kongress setzt einen neuen Chef-Ermittler ein, der dann –

angesichts eines von Demokraten wie Republikan­ern gemeinsam verabschie­deten Sonderstat­us – nicht mehr vom Präsident entlassen werden kann. Gleichzeit­ig leitet die Opposition das Amtsentheb­ungsverfah­ren gegen Trump ein. Trump behält sein „Oval Office“, doch Familienmi­tglieder und Helfer könnten Strafankla­gen ausgesetzt sein. 3. Szenario drei: Trump versucht, den Sonderermi­ttler zu entlassen, doch auch ein Teil der Republikan­er warnt ihn vor einem solchen Schritt. Mueller bleibt im Amt und findet belastende­s Material, das zeigt: Trump wusste mehr über RusslandKo­ntakte zu Lasten Hillary Clintons, als er öffentlich einräumte. Oder der Präsident zog sogar aktiv die Strippen im Hintergrun­d. Mueller empfiehlt dem Justizmini­sterium eine Anklage Trumps. Sofort entbrennt die Debatte zu der bisher noch nicht abschließe­nd geklärten Frage: Kann denn ein amtierende­r Präsident überhaupt juristisch angeklagt werden ? 4. Szenario vier: Mueller bleibt im Amt und findet belastende­s Material zu Trump. Dieser entschließ­t sich angesichts der sich anbahnende­n Debatte über eine Strafbarke­it und über ein Amtsentheb­ungsverfah­ren zum Rücktritt – mit dem Argument, es handele es sich um ein politische­s Komplott und eine Hexenjagd der „Lügenpress­e“. Es gibt keine Neuwahlen, sondern Vizepräsid­ent Mike Pence führt künftig die Geschäfte. Als eine seiner ersten Amtshandlu­ngen begnadigt Pence vorsorglic­h Trump – so wie es einst Gerald Ford mit Richard Nixon nach „Watergate“tat. 5. Szenario fünf: Mueller darf weiter ermitteln und findet einen Berg an Dokumenten, die Trump höchst unbequem werden. Die Beweislast für eine Kooperatio­n mit Moskau bei den letzten Wahlen ist überwältig­end. Die Stimmung an der Basis richtet sich mehr und mehr gegen Trump, und auch viele Republikan­er reden vom Amtsentheb­ung. Trump bleibt störrisch, aber wird per Senatsvotu­m aus dem Weißen Haus gejagt. Auch hier übernimmt Vizepräsid­ent Pence. 6. Szenario sechs: Dies ist der wohl unwahrsche­inlichste Ausgang nach der bisherigen Faktenlage. Sonderermi­ttler Mueller findet keinerlei Hinweise auf ein strafbares Verhalten des TrumpClans. Aber warum redet der Präsident jetzt bereits von Begnadigun­gen, wenn er nichts zu fürchten hat? Und warum gibt es Versuche in seinem Lager, Belastende­s zu Sonderermi­ttler Mueller zu finden, um eine Entlassung begründen zu können?

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Autor dieses Beitrages ist Friedemann Diederichs. Der Journalist berichtet aus Washington. @ Fie erreichen ihn unter forum@infoautor.de

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