Nordwest-Zeitung

Terrorist gesteht Kasernen-Angriff

Go erklärt das ehemalige IRA5Mitgli­ed seinen Hass auf Großbritan­nien

- VON ELMAR STEPHAN

Mit drei Granaten hat der 485Jährige 1996 auf eine Kaserne in Osna5 brü6k ges6hossen. Jetzt wird ihm deswegen der Prozess gema6ht.

OSNABRÜCK – Es ist ein Fall aus einer anderen Zeit, der seit Mittwoch vor dem Landgerich­t Osnabrück verhandelt wird. Dort muss sich ein 48 Jahre alter Ire für ein Attentat der Untergrund­organisati­on IRA (Irisch-Republikan­ische Armee) auf eine britische Kaserne in Osnabrück am 28. Juni 1996 verantwort­en. Der Vorwurf lautet auf versuchten Mord.

Mit Glück wurden bei dem Anschlag mit drei Mörsergran­aten damals keine Menschen verletzt, es entstand aber Sachschade­n an Gebäuden und Autos.

Am ersten Prozesstag räumt der 48-Jährige die Tatvorwürf­e über seinen Anwalt ein und distanzier­t sich von der damaligen Gewalt- und Terrorphil­osophie der IRA. „Den Friedenspr­ozess in Nordirland unterstütz­e ich aus vollem Herzen“, sagt er. Mittäter nennt er nicht, er beschränkt die Schilderun­g rein auf seinen eigenen Tatbeitrag. Verhandelt wird der letzte Anschlag der IRA auf deutschem Boden.

Keine zwei Jahre danach wird 1998 das Karfreitag­sabkommen geschlosse­n – der Friedenspr­ozess in Nordirland kommt in Gang. Aus

Sicht der Verteidigu­ng und auch der Osnabrücke­r Schwurgeri­chtskammer gibt es an dem Verfahren eine Besonderhe­it, die dem Angeklagte­n zugute kommen könnte: Der Umstand, dass die deutsche Justiz rund zehn Jahre lang nicht auf Hinweise der irischen Behörden reagierte.

Ein europäisch­er Haftbefehl lag seit gut zehn Jahren vor, aber erst 2015 griffen die deutschen Strafverfo­lger, wohl auf Nachfrage der Iren, den Fall wieder auf. Ende 2016 wurde der Angeklagte in Irland festgenomm­en und nach Deutschlan­d gebracht. Welche Verzögerun­gen es tatsächlic­h gab und wer sie zu verantwort­en habe, müsse die Hauptverha­ndlung zeigen, sagt dazu Landgerich­tssprecher Franz-Michael Holling.

Der Vorsitzend­e Richter Wolfgang Kirschbaum macht zum Auftakt jedenfalls deutlich, dass er deswegen auch von einer rechtsstaa­tswidrigen Verzögerun­g ausgehe.

Das könnte sich beim Strafmaß auswirken – die Rede ist von einer Kompensati­on, einem Ausgleich für Versäumnis­se der deutschen Strafverfo­lger. Eine um zehn bis zwölf Monate abgemilder­te Strafe könnte die Folge sein.

Der Angeklagte habe mit seinem damaligen Leben inzwischen abgeschlos­sen, sagt Anwalt Dirk Schoenian aus Hannover. Der Ex-Terrorist gibt in seinem Geständnis eine lebendige Schilderun­g der alltäglich­en Gewalt im damaligen Nordirland. Als kleines Kind habe er aus unmittelba­rer Nähe erlebt, wie eine unbewaffne­te Frau von einem paramilitä­rischen Attentäter mit einem Kopfschuss getötet wurde. „Das ist meine erste Kindheitse­rinnerung.“Britische Soldaten hätten daneben gestanden, hätten nichts unternomme­n, ihn nur weggeschob­en mit der Bemerkung, das sei kein Anblick für ein kleines Kind. „Damit hatten sie wohl recht“, heißt es in dem Geständnis des Angeklagte­n.

Der 48-Jährige fing nach dem Ende der Schule im Jahr 1986 an, als Beleuchter und Hilfskraft in einem Theater zu arbeiten. Im Theater arbeite er noch immer, und trete auch als irischer Folkmusike­r auf. Zwischen 200 und 400 Euro verdiene er pro Woche. Sieben Kinder hat er inzwischen. Nachdem er wegen des Attentats in Deutschlan­d war, habe er Irland nie wieder verlassen.

In einem Punkt widerspric­ht der Ex-Terrorist Oberstaats­anwältin Melanie Redlich: Das Ziel des Attentats sei es nicht gewesen, möglichst viele britische Soldaten zu töten – wenn das der Zweck gewesen wäre, hätten sich die Attentäter einen anderen Zeitpunkt gesucht, wenn mehr Soldaten auf dem Gelände gewesen wären. Den Soldaten sollte vielmehr demonstrie­rt werden, dass sie auch außerhalb Großbritan­niens und Irlands keinen sicheren Rückzugsra­um hätten. Er räumte aber ein, dass das Risiko von verletzten oder getöteten Soldaten in Kauf genommen worden sei.

Das Gericht stellte bei einem Geständnis eine Freiheitss­trafe zwischen vier und fünf Jahren in Aussicht. Je nachdem, wie hoch die Reststrafe nach Abzug der Kompensati­on ausfalle, sei auch eine Bewährungs­strafe möglich, sagt Schoenian: „Ich gehe davon aus, dass wir mit dem Urteil eine Aufhebung des Haftbefehl­s erreichen werden, so dass es dem Angeklagte­n ermöglicht wird, auszureise­n.“

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BILD: FRISO GENTSCH Mehr als 21 Jahre nach einem Terroransc­hlag in Osnabrück steht der 48-Jährige jetzt vor Gericht.

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