Streicher-Ensemble rückt Telemann ins rechte Licht
„Concerto Foscari“spielt in Felde, Warfleth, Varel und Nordenham
BERNE/WESTERSTEDE – Mal unterstellt, der Komponist Georg Philipp Telemann hätte sich je ernsthaft um eine Musikdirektorenstelle bewerben müssen. Frage: Welche Referenzen können Sie vorweisen? Bewerber: Berühmte Komponisten haben von mir abgeschrieben, oder Kompositionen von mir sind unter den Namen anderer berühmter Kollegen veröffentlicht worden. Ich nenne nur die Namen Händel oder Bach.
Kleine Tournee
Nun hat Telemann (1681– 1767) sich nie bewerben müssen. Die Stelle als Thomaskantor in Leipzig wurde ihm angetragen, aber er lehnte ab. Da griffen die Hamburger zu und machten den damals angesehensten Barockmeister zum Musikdirektor der fünf Hauptkirchen und zum Leiter der Oper am Gänsemarkt.
Telemann erlebt derzeit in Europa eine Renaissance. Im August und September rückt das in Hannover ansässige „Concerto Foscari“Teile seines Werks im Oldenburger Land in helles Licht. Das international renommierte Streicher-Ensemble, dazu als Solisten Leiter Alon Sariel (Mandoline) und die Bremerin Elisabeth Champollion (Blockflöte), gastiert viermal im Nordwesten: am 11. August in der Kapelle Felde bei Westerstede, tags darauf in der Konzertkirche in Warfleth (Gemeinde Berne/Wesermarsch), am 20. September in Varel und einen Tag später in Nordenham.
Entsprungen ist die kleine Telemann-Tournee dem weitreichenden Ruf der Konzertreihen in der Warflether Kirche am Weserdeich. Flötistin Champollion kannte die tragende Akustik. „Unsere Foscaris haben derzeit Telemann drauf, das wäre für euch ideal“, lockte sie den dortigen Organisator Reinhard Rakow. Der schlief forthin etwas unruhig: „Musikalisch ein Riesending“, war ihm klar, „doch wie sollen wir das finanzieren?“Rakow konnte jedoch auf sein Netzwerk bauen: „Nach vielen Gesprächen und E-Mails ist dieses Paket von vier Auftritten zustande gekommen. Gemeinsam stemmen wir das Projekt.“
Dabei hatte Telemann in zurückliegenden Jahrzehnten eher als uncool gegolten. Ein Vielschreiber, dessen Fantasie und Arbeitsfleiß allein 1500 Kantaten und 1000 Orchestersuiten entsprungen sind. Dazu 1100 weitere Werke, von der Kammermusik bis zur Oper. Doch dem gebildeten, belesenen, neugierigen und auch neuerungsbereiten Menschen wurde nachgesagt: Seine Massenproduktion erreiche nicht die zeitlos emotionale Tiefe eines Händel, nicht die unendliche Kunstfertigkeit eines Bach. Vorurteile halten sich eben lange.
Eleganz und Witz
Einspruch erhebt einer wie Thomas Bönisch. Der Chordirektor und Kapellmeister am Staatstheater hat unlängst mit seinem Kammerorchester St. Anna Bardenfleth in zwei Konzerten einen Intensivkurs zu Telemann absolviert. Da zeigte er, dass sich Eleganz und Witz in dieser Musik finden. Doch neu entdeckt werden gerade wieder seine dramatischen und heftig die Seele rüttelnden Affekte. „Telemann hat in einer bezwingenden und gar nicht oberflächlichen Vielfalt geschrieben“, sagt Bönisch. Da schreitet der Komponist aus der Barockzeit in die Klassik voraus.