EU ist zu Gegenmaßnahmen bereit
Durch US-Sanktionen gegen Moskau droht Handelskrieg
Wann beginnt der Handelskrieg? Noch am Montag wusste in Brüssel niemand, ob die EU an diesem Morgen mit dem wichtigsten Verbündeten USA eine Phase neuer ökonomischer Auseinandersetzungen beginnt. Es wäre, so hieß es in der EUKommission am Montag, USPräsident Donald Trump selbst, der mit seiner Unterschrift unter die neuen Russland-Sanktionen die Spirale in Gang setzen würde.
Dabei hat der Mann im Weißen Haus genau genommen gar keine andere Wahl: Angesichts der überwältigenden Mehrheit in Repräsentantenhaus und Senat für ein weiteres Embargo gegen Moskau könnte Trump sich kein Veto leisten. Doch dieser Schlag Richtung Russland würde auch die europäische Beteiligung an insgesamt acht Energieversorgungsprojekten treffen – darunter die ohnehin heftig umstrittene Pipeline Nordstream II, die Erdgas von Sibirien durch die Ostsee direkt nach Deutschland liefert. Die USA wollen Moskau und sein Engagement auf dem Energiemarkt stören, sich dabei selbst als neue Lieferanten
ins Gespräch bringen. Doch den Preis würden Unternehmen wie BASF, Eon und Wintershall zahlen, die an Bau und Betrieb der Leitung beteiligt sind. „Wir halten das schlicht und ergreifend für völkerrechtswidrig“, betonte Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) schon vor wenigen Tagen. Es sei „richtig, dass die EU-Kommission jetzt Reaktionen“berate.
Am vergangenen Mittwoch, so bestätigte sein Sprecher Margaritis Schinas, habe Kommissionschef Jean-Claude Juncker im Kreis seiner Mannschaft über Gegenmaßnahmen gesprochen. Die EU stehe bereit, „innerhalb von Tagen angemessen zu reagieren“, sagte Juncker danach. Ein hoher EUDiplomat bestätigte, die Gemeinschaft habe „ihr Arsenal scharfgestellt“. Noch herrscht Rätselraten über den Katalog der Schritte, mit denen sich Brüssel revanchieren will. Angeblich denkt die EU-Verwaltung daran, den Zugang amerikanischer Unternehmen zu Krediten bei europäischen Banken zu beschränken. Außerdem wird offenbar erwogen, den Verkauf von US-Fracking-Gas auf dem EU-Markt zu limitieren. „Die Kommission versucht zu verhindern, dass die USA erst Strafmaßnahmen gegen Russland erlässt, die dann die Europäer treffen, um sich selbst anschließend als Krisengewinner ins Spiel zu bringen“, hieß es am Montag aus dem Umfeld der EU-Behörde.
Dabei hat Washingtons Führungsriege bereits vor dem Inkrafttreten des Sanktionsgesetzes viel politischen Flurschaden angerichtet. Inzwischen findet sich die EU in der Rolle wieder, das Engagement der europäischen Wirtschaft in und mit Russland zu verteidigen und damit enger an Moskau heranzurücken. Noch vor wenigen Wochen war es gelungen, einen Handelskrieg mit den USA abzuwenden. Beim G20-Gipfel steckte Trump die geplanten Zugangsbeschränkungen für Stahlunternehmen zum USMarkt wieder weg. Dieses Mal scheint eine Eskalation unausweichlich.
Autor dieses Beitrages ist Detlef Drewes. Der Brüssel-Korrespondent berichtet für diese Zeitung über die Politik der EU. @Den Autor erreichen Die unter forum@infoautor.de