Nordwest-Zeitung

M0 000 Stellen müssen nachbesetz­t werden

Sven Rebehn vom Deutschen Richterbun­d warnt vor Pensionier­ungswelle und Nachwuchsm­angel in der Justiz

- VON TOBIAS SCHMIDT, BÜRO BERLIN

FRAGE: Herr +ebehn, "ie dramatisch "ird die Situation in der Justi, durch die Pensionier­ungs"elleREBEHN: In den neuen Ländern werden in den nächsten 15 Jahren knapp zwei Drittel der Richter und Staatsanwä­lte in den Ruhestand gehen! Dort spitzt sich die Lage besonders zu. Bundesweit müssen mehr als 10 000 Stellen nachbesetz­t werden. Hier liegt die Pensionier­ungsquote bei rund 40 Prozent. Wir machen uns große Sorgen. FRAGE: Finden die Gerichte .berhaupt den not"endigen Nach"uchsREBEHN: Es wird zunehmend schwierige­r. Die Absolvente­nzahlen an den Universitä­ten und die Referendar­zahlen gehen zurück. In den vergangene­n 15 Jahren ist die Zahl derjenigen, die das zweite Staatsexam­en machen, um fast ein Drittel eingebroch­en. Zur Pensionier­ungswelle kommt der Nachwuchsm­angel! FRAGE: Macht sich die Personalkn­appheit heut,utage schon bemerkbarR­EBEHN: Es fehlen mindestens 2000 Richter und Staatsanwä­lte. Die Kollegen können nicht mehr alle Fälle schnell genug bearbeiten. Die Konsequenz­en sind alarmieren­d. Konkret: 2015 und 2016 sind insgesamt mehr als 80 dringend Tatverdäch­tige aus der Untersuchu­ngshaft entlassen worden, weil sich die Verfahren

zu lange hingezogen haben. Da geht es um schwerwieg­ende Straftaten, um mutmaßlich­e Totschläge­r, Räuber oder organisier­te Kriminelle, die mitunter auf freien Fuß gesetzt werden müssen! Ein zweiter gravierend­er Punkt: Etwa jedes dritte Verfahren wird von den Staatsanwa­ltschaften inzwischen mit oder ohne Auflagen eingestell­t, obwohl ein Straftäter ermittelt worden ist. Der kommt in Fällen leichter oder mittlerer Kriminalit­ät dann ohne Gerichtsve­rhandlungz­umBeispiel­mit einer Geldauflag­e davon. All das lässt den Rechtsstaa­t erodieren. FRAGE: Die Justi,minister haben im Juni ,us/t,liche Stellen versproche­n. 0ie viel Personal "ird konkret gebraucht und "ie glaub".rdig sind die 1erspreche­nREBEHN: Kurz vor der Wahl wird immer viel versproche­n. Wir sind aber zuversicht­lich, weil sich nicht nur Bundesjust­izminister Heiko Maas dafür stark macht, 2000 neue Stellen zu schaffen, sondern auch die Fraktionss­pitzen von Union und SPD. Die Personallü­cken müssen jetzt ganz schnell geschlosse­n werden, sonst wird die Justiz zum Flaschenha­ls und immer mehr Fälle bleiben liegen. Und in den kommenden Jahren muss dringend über Bedarf eingestell­t werden, damit auch in zehn bis 15 Jahren, wenn sich die Pensionier­ungswelle massiv auswirken wird, ausreichen­d Staatsanwä­lte und Richter zur Verfügung stehen. FRAGE: Der +ichterbund hat erstmals mit der Ge"erkschaft der Poli,ei gemeinsam 2larm geschlagen. Gibt es schon ein Sicherheit­srisiko durch den Notstand bei den Strafverfo­lgungsbehö­rdenREBEHN: Die Justiz ist gezwungen, Aufgaben zu priorisier­en. Wir können die Strafverfo­lgung ohne zusätzlich­es Personal nicht mehr auf dem Niveau garantiere­n, wie wir es gerne tun würden.

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