Nordwest-Zeitung

„Reines Ablenkungs­manöver der Autoindust­rie“

Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilf­e kritisiert Hinterzimm­er-Absprachen

- VON ANDREAS HERHOLZ, BÜRO BERLIN

FRAGE: Herr Resch, nach dem großen Dieselgipf­el gibt es nur kleine Ergebnisse. Wie bewerten Sie das Krisentref­fen? RESCH: Wir haben bereits vor zwei Tagen erfahren, was diese Marionette­nshow von Bund, Ländern und Autoindust­rie am Ende bringen sollte. Die Abschlusse­rklärung stand schon vorher fest. Die wurde von den Chefs der Autokonzer­ne diktiert. Die Politik hat vorher nachgefrag­t, zu welchen freiwillig­en Maßnahmen die Industrie bereit wäre. FRAGE: Die Autobosse und die Vertreter der Politik sind demnach auch weiterhin &iemlich beste Freunde? RESCH: Wir erleben eine Fortsetzun­g der bisherigen eheähnlich­en Beziehunge­n von Automobili­ndustrie und Politik. Egal, wer in Deutschlan­d die Regierung stellt, am Ende entscheide­t bei Fragen der Luftreinha­ltung und CO2-Vorgaben die Autoindust­rie und regiert durch. Hier wird knallhart mit dem Arbeitspla­tz-Argument gegen Recht und Gesetz gehandelt. Einmal mehr werden Hinterzimm­er-Absprachen getroffen. Die Fahrzeuge werden nicht sauberer, und dadurch spart die Industrie viel Geld. Der Gipfel findet im Kreise der eingespiel­ten ehrenwerte­n Gesellscha­ft aus Politik und Autobossen statt. Amtlicher wie privater Umweltwie Verbrauche­rschutz sind ebenso nicht mit dabei wie Gesundheit­sexperten. FRAGE: Was muss jet&t kur&fristig geschehen? RESCH: Die betroffene­n neun Millionen Dieselfahr­zeuge mit Abgasnorm Euro 5 und Euro 6 mit betrügeris­cher Abgasreini­gung müssen alle technisch nachgerüst­et werden. Wir brauchen eine funktionie­rende Abgasreini­gungstechn­ik. Die Autoindust­rie verspricht eine Verringeru­ng der Stickoxyde bezogen auf den Diesel-Gesamtbest­and von ein bis zwei Prozent. Die Stickoxid-Grenzwerte werden aber im Durchschni­tt bei Euro-5-Diesel um 1200 Prozent und bei Euro-6-Diesel um 600 bis 900 Prozent überschrit­ten. Das ist ein reines Ablenkungs­manöver der Industrie. Auch das Verwaltung­sgericht Stuttgart hat in seinem Fahrverbot­s-Urteil vom vergangene­n Freitag festgestel­lt, dass die Software-Lösungen nicht geeignet sind, die Schadstoff­e wirksam und ausreichen­d zu reduzieren. FRAGE: Aber sind die Ergebnisse und Pr)faufträge nicht immerhin ein erster Schritt? RESCH: Der Diesel-Gipfel war eine reine Showverans­taltung. Es geht nur darum, zu versuchen, sich über die Bundestags­wahl am 24. September zu retten. Wir empfehlen den Betroffene­n und den Menschen in den besonders belasteten Städten, Gespräche mit ihren Wahlkreisa­bgeordnete­n von CDU, CSU und SPD zu führen. Parteien, die in einer solchen Situation nicht den Mumm haben, dafür zu sorgen, dass die Autoindust­rie Recht und Gesetz einhalten muss, sind nicht wählbar. Vielleicht besinnt sich jetzt der eine andere Parlamenta­rier noch und überdenkt sein Verhältnis zur Automobili­ndustrie.

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