„Reines Ablenkungsmanöver der Autoindustrie“
Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe kritisiert Hinterzimmer-Absprachen
FRAGE: Herr Resch, nach dem großen Dieselgipfel gibt es nur kleine Ergebnisse. Wie bewerten Sie das Krisentreffen? RESCH: Wir haben bereits vor zwei Tagen erfahren, was diese Marionettenshow von Bund, Ländern und Autoindustrie am Ende bringen sollte. Die Abschlusserklärung stand schon vorher fest. Die wurde von den Chefs der Autokonzerne diktiert. Die Politik hat vorher nachgefragt, zu welchen freiwilligen Maßnahmen die Industrie bereit wäre. FRAGE: Die Autobosse und die Vertreter der Politik sind demnach auch weiterhin &iemlich beste Freunde? RESCH: Wir erleben eine Fortsetzung der bisherigen eheähnlichen Beziehungen von Automobilindustrie und Politik. Egal, wer in Deutschland die Regierung stellt, am Ende entscheidet bei Fragen der Luftreinhaltung und CO2-Vorgaben die Autoindustrie und regiert durch. Hier wird knallhart mit dem Arbeitsplatz-Argument gegen Recht und Gesetz gehandelt. Einmal mehr werden Hinterzimmer-Absprachen getroffen. Die Fahrzeuge werden nicht sauberer, und dadurch spart die Industrie viel Geld. Der Gipfel findet im Kreise der eingespielten ehrenwerten Gesellschaft aus Politik und Autobossen statt. Amtlicher wie privater Umweltwie Verbraucherschutz sind ebenso nicht mit dabei wie Gesundheitsexperten. FRAGE: Was muss jet&t kur&fristig geschehen? RESCH: Die betroffenen neun Millionen Dieselfahrzeuge mit Abgasnorm Euro 5 und Euro 6 mit betrügerischer Abgasreinigung müssen alle technisch nachgerüstet werden. Wir brauchen eine funktionierende Abgasreinigungstechnik. Die Autoindustrie verspricht eine Verringerung der Stickoxyde bezogen auf den Diesel-Gesamtbestand von ein bis zwei Prozent. Die Stickoxid-Grenzwerte werden aber im Durchschnitt bei Euro-5-Diesel um 1200 Prozent und bei Euro-6-Diesel um 600 bis 900 Prozent überschritten. Das ist ein reines Ablenkungsmanöver der Industrie. Auch das Verwaltungsgericht Stuttgart hat in seinem Fahrverbots-Urteil vom vergangenen Freitag festgestellt, dass die Software-Lösungen nicht geeignet sind, die Schadstoffe wirksam und ausreichend zu reduzieren. FRAGE: Aber sind die Ergebnisse und Pr)faufträge nicht immerhin ein erster Schritt? RESCH: Der Diesel-Gipfel war eine reine Showveranstaltung. Es geht nur darum, zu versuchen, sich über die Bundestagswahl am 24. September zu retten. Wir empfehlen den Betroffenen und den Menschen in den besonders belasteten Städten, Gespräche mit ihren Wahlkreisabgeordneten von CDU, CSU und SPD zu führen. Parteien, die in einer solchen Situation nicht den Mumm haben, dafür zu sorgen, dass die Autoindustrie Recht und Gesetz einhalten muss, sind nicht wählbar. Vielleicht besinnt sich jetzt der eine andere Parlamentarier noch und überdenkt sein Verhältnis zur Automobilindustrie.