Nordwest-Zeitung

Selbststän­dige zwischen Freiheit und Existenzan­gst

Niedrige Honorare und Auftragsfl­aute belasten – Großes Verdienstg­efälle zwischen Branchen

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NÜRNBERG/DPA – Jürgen Gechter würde es wieder tun. Der 50-Jährige aus dem fränkische­n Regelsbach hat seine Entscheidu­ng, sich selbststän­dig zu machen, bis heute nicht bereut. Trotzdem sei das Leben als Solo-Selbststän­diger schon sehr „ambivalent“, räumt er ein. „Das ist wie bei einem Süchtigen: Manchmal bin ich geradezu begeistert von dem, was ich mache. Und dann gibt es wieder Zeiten, da wünsche mir ein Leben als Arbeitnehm­er mit regelmäßig­em Gehalt und sozialer Absicherun­g zurück. Ich bekomme Magenschme­rzen, wenn mein Konto mal wieder gegen Null läuft“, bekennt er freimütig.

Gechter, der als Alleinunte­rnehmer Kurse für Betriebs-, Personalrä­te und Schwerbehi­ndertenver­treter anbietet, scheint die Gefühlslag­e vieler Solo-Selbststän­diger auf den Punkt zu bringen:

Sie schätzen es, ihr eigener Chef und frei von betrieblic­hen Zwängen zu sein, haben aber mit niedrigen Honoraren, Auftragsfl­auten und unzureiche­nder staatliche­r Förderung zu kämpfen.

Die jüngst von SPD und Union angestoßen­e Debatte um die Rentenvers­icherungso­der Altersvors­orgepflich­t für Solo-Selbststän­dige hat die Gruppe wieder stärker ins Rampenlich­t gerückt. Amtliche Zahlen machen derweil Viertel vertretene­n SoloSelbst­ständigen dagegen im Mittel auf 3158 Euro. Ohne Hilfen von Partnern oder Verwandten käme so mancher Solo-Selbststän­dige wohl kaum über die Runden. Am unteren Ende der Einkommens­rangliste rangieren freiberufl­ich arbeitende Friseure und Kosmetiker. An der Spitze stehen Finanzprof­is, Ingenieure und selbststän­dige Juristen mit 2300 bis 2600 Euro.

Von den Schwierigk­eiten, angemessen­e Honorare für Künstler, Journalist­en und Dozenten durchzuset­zen, kann auch Veronika Mirschel ein Lied singen. Sie leitet das Referat Selbststän­dige bei der Dienstleis­tungsgewer­kschaft „Verdi“. Sie hatte gehofft, die Einführung des Mindestloh­ns für Beschäftig­te würde die Auftraggeb­er von Solo-Selbststän­digen dazu bringen, ihre Honorare aufzustock­en. Das sei aber leider nicht der Fall.

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