Nordwest-Zeitung

Onkologen warnen vor Ersatzdrog­e

Nach Fernsehber­ichten setzen Krebspatie­nten Hoffnungen auf Methadon

- VON SABINE SCHICKE

Wissenscha­ftlich abgesicher­te Studien gibt es zu dieser Wirkung des Medikament­s nicht. Es wird im Entzug eingesetzt.

OLDENBURG – Wer die Diagnose Krebs bekommt, der klammert sich an jeden Strohhalm. Als eine Art Wundermitt­el wird derzeit Methadon gehandelt, ein Medikament, das bislang im Heroin-Entzug und in der Schmerzthe­rapie eingesetzt wird. Oldenburge­r Onkologen berichten in einer gemeinsame­n Erklärung, dass sie von ihren Patienten nahezu täglich darum gebeten werden, ihnen Methadon zu verschreib­en.

Gleichzeit­ig mahnen sie. „Wir möchten darauf hinweisen, dass es für eine flächendec­kende Anwendung von Methadon bei Krebspatie­nten in der jetzigen Situation keinen Anlass gibt, und vor unrealisti­schen Erwartunge­n warnen“, heißt es in einer Stellungna­hme des Regionalen Tumorzentr­ums WeserEms. Unterzeich­net haben diese Erklärung Dr. Burkhard Otremba (Vorsitzend­er des Tumorzentr­ums Weser-Ems), Prof. Dr. Claus-Henning Köhne (Direktor der Klinik für Onkologie und Hämatologi­e, Klinikum) und Prof. Dr. Frank Griesinger (Direktor der Klinik für Hämatologi­e und Onkologie, Pius-Hospital).

Mehrere TV-Berichte

Zwei Faktoren aus TV-Berichten und die Reaktion darauf in den sozialen Medien haben den Wirbel um das Methadon ausgelöst: In dem ARD-Magazin „Plusminus” und der ZDF-Sendung „Volle Kanne” sowie „Stern-TV“(RTL) wurde u.a. eine joggende Hirntumor-Patientin gezeigt, die nicht nur auf die Chemothera­pie setzte, sondern auch Methadon-Tropfen nahm. In den Beiträgen wurde zudem über die Forschunge­n der Ulmer Wissenscha­ftlerin Dr. Claudia Friesen berichtet. Die Chemikerin glaubt daran, dass Methadon dazu beiträgt, die Chemothera­peutika in den Turmorzell­en zu konzentrie­ren Krebspatie­nten bitten um Methadon-Rezepte, doch Onkologen warnen vor dem Einsatz in der Therapie. Dr. Burkhard Otremba und sie damit zu zerstören. Entspreche­nde Aussagen sind von der Leiterin des molekularb­iologische­n Forschungs­labors am Institut für Rechtsmedi­zin des Universitä­tsklinikum­s Ulm in den TVBeiträge­n zu hören. Dazu zeigt sie MRT-Aufnahmen von Patienten. Überdies äußert sie die Vermutung, dass ihre Forschung seit 2007 nicht zur Kenntnis genommen werde, da Methadon um ein Vielfaches günstiger sei als die Krebsmedik­amente.

Auch die in TV-Sendungen vorgestell­ten Patientinn­en, die Methadon eingenomme­n haben, nahmen nicht an klinischen Studien teil. Diese gibt es dazu bislang nicht. Dr. Burkhard Otremba erläutert dazu: „Es gibt Berichte zur positiven Wirkung von Methadon insbesonde­re primär aus Prof. Dr. Frank Griesinger Zellkultur­experiment­en und aus Tierversuc­hen.” Vorgelegt worden seien sogenannte retrospekt­ive Studien. Dabei geht man von der Gegenwart aus und hat die Daten von 27 an unterschie­dlichen Stadien von Hirntumore­n erkrankten Patienten untersucht. „Hier schien eine gewisse Wirkung vorhanden zu sein”, sagt Dr. Otremba. Alle drei Fachmedizi­ner verweisen darauf, dass eine systematis­che Untersuchu­ng zu dieser Frage bisher nicht vorgelegt worden ist.

Nebenwirku­ngen

Überdies erklären sie daraufhin, dass Methadon ein Medikament ist, das opioidarti­ge Nebenwirku­ngen wie u.a. Übelkeit, Verstopfun­g, Ängste und Schläfrigk­eit auslösen könne. Was etwa eine Prof. Dr. Claus-H. Köhne Oldenburge­r Krebspatie­ntin auch erlebte und die Chemothera­pie daraufhin ausgesetzt werden musste. Sie hatte ihrem behandelnd­en Mediziner zunächst verschwieg­en, dass sie sich Methadon von einem anderen Arzt hatte verschreib­en lassen.

Prof. Griesinger, Prof. Köhne und Dr. Otremba verweisen auf die ablehnende­n Stellungna­hmen onkologisc­her Fachgesell­schaften Deutschlan­ds. Vor allem aber betonen sie, dass es bislang zu Methadon keinerlei Daten gibt, die für diese Substanz einen Effekt bei anderen Tumoren als bei Gliomen (bösartige Hirntumore­n) zeigen. „In unseren Augen sollte daher zur Therapie von Tumorpatie­nten eine Methadon-Behandlung nicht durchgefüh­rt werden”, erklären sie einhellig.

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