„eiu Arbeit mit einer Überläuferin
CDI0Fraktion empfängt Ex-Grünen-Abgeordnete mit Beifall – SPD beklagt „Verrat“
Die Fraktionswechslerin „bereut nichts<. Sie darf in drei Ausschüssen Plat= nehmen.
HANNOVER – Welch’ ein Empfang: Auf den Tischen liegen Schokotäfelchen und nachdem die schweren Türen zugehen, brandet Beifall auf. Nun gut, die Schokolade ist eigentlich für das Geburtstagskind des Tages, Uwe Schünemann (53), und der Applaus dauert nur Sekunden. Aber die CDU-Landtagsfraktion bemüht sich um eine freundliche Aufnahme der Grünen-Überläuferin Elke Twesten an diesem Dienstag. „Ich bin ganz entspannt“, sagt die 54-Jährige aus Rotenburg/ Wümme, die mit ihrem Wechsel zur Opposition eine veritable rot-grüne Regierungskrise ausgelöst, parlamentarisches Chaos angerichtet und die Mehrheitsverhältnisse im Landtag verschoben hat. Wegen ihr muss es vorgezogene Neuwahlen in Niedersachsen am 15. Oktober geben. Twesten sagt nur: „Es ist nach wie vor die richtige Entscheidung.“Aber nur verkrampft
lächelnd rutscht die Ex-Grüne auf ihrem Sessel im Kreis der neuen Freunde herum.
Draußen schäumt SPD-Generalsekretär Detlef Tanke. Die von Twesten vor zwei Ohrenzeugen gemachte Aussage, es habe ein „unmoralisches Angebot der CDU“für einen Wechsel gegeben, lässt die Wogen hoch schlagen bei SPD und Grünen. Von „Verrat“, „Intrige“und „Käuflichkeit“ist die Rede. SPD-Generalsekretär Tanke fordert in einem offenen Brief an seinen CDUKollegen Ulf Thiele (Uplengen) die Union auf, über das „unmoralische Angebot“aufzuklären. Vor allem: Welche Rolle spielten der CDU-Spitzenkandidat
Bernd Althusmann und CDU-Fraktionschef Björn Thümler (Berne)? Ob sich sogar der Staatsanwalt wegen möglicher Käuflichkeit oder Bestechlichkeit einschalten sollte, lässt Tanke offen. „Diese Überlegungen müssen andere anstellen“, sagt der SPD-Generalsekretär. Auch Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sieht Aufklärungsbedarf. „Der Wechsel hat eine ganze Reihe von Fragen aufgeworfen, die seither diskutiert werden.“Die Hintergründe müssten geklärt werden.
Im Fraktionssaal beschützt CDU-Generalsekretär Thiele die bedrängte Twesten, die in
der vorletzten Reihe auf dem vorletzten Stuhl Platz genommen hat. Thiele schirmt sie vor allzu neugierigen Fragen der Journalisten und den Kameras ab. Der CDU-Abgeordnete Hermann DammannTamke stöhnt über die „Meute“.
Der CDU-Kreisverband Rotenburg/Wümme hat bereits am Montagabend das Neumitglied aufgenommen, das erst am Freitag seinen Austritt bei den Grünen bekanntgegeben hatte. Aus Verärgerung über die Nicht-Nominierung als Kandidatin für den nächsten Landtag, wie Twesten selbst erklärte. Dieser Vorgang habe „das Fass zum Überlaufen
gebracht“nach 20 Jahren Mitgliedschaft bei den Grünen. „Dem Begehren Twestens nach Mitgliedschaft hat der CDU-Kreisvorstand einstimmig zugestimmt, sie ist damit eines von über 1850 Mitgliedern der CDU im Landkreis Rotenburg/Wümme“, teilte der Vorsitzende des Kreisverbandes, Marco Mohrmann, mit.
In der Teilnehmerliste der CDU-Landtagsfraktion taucht Twesten schon auf. Ordentlich unter „T“. Sie unterschreibt brav leserlich. Anschließend überlegt die CDU-Fraktion, wo die neue Parteifreundin in der Landtagsarbeit untergebracht werden könnte. Das Ergebnis: Die Hinterbänklerin darf wie schon für die Grünen im Ausschuss für Häfen und Schifffahrt sitzen, dazu im Wirtschaftsausschuss Platz nehmen und bei Umweltfragen mitreden. Den herausgehobenen Sitz im Präsidium des Landtags verliert die Parteiwechslerin jedoch. Der steht den Grünen als Fraktion zu und nicht einer einzelnen Abgeordneten. Wie sagt CDUChef Bernd Althusmann, der an der Fraktionssitzung teilnimmt: „Wir haben nicht nur einen Sitz mehr, sondern auch mehr Arbeit.“