Nordwest-Zeitung

Eingebunde­n in komplizier­te Machtarchi­tektur

;inisterprä­sidenten immer wieder in Ränkespiel­e beim Autobauer >erwoben

- VON ANDREAA HOENIG UND HANA BEGEROW

HANNOVER/WOLFSBURG – Der Spruch ist alt, aber er passt: „Wenn VW hustet, hat Niedersach­sen Grippe“– mindestens. Denn ohne Volkswagen geht nicht viel zwischen Harz und Küste. Ein Autokonzer­n und sein Bundesland: Das war und ist eine Geschichte voller Verflechtu­ngen. Stellt sich die Frage: Wer ist Koch, wer Kellner?

Dazu gibt es eine aufschluss­reiche Geschichte, sie spielt vor zehn Jahren. Als niedersäch­sischer Ministerpr­äsident und Mitglied im VW-Aufsichtsr­at legte sich Christian Wulff (CDU) offen mit dem damaligen VW-Patriarche­n Ferdinand Piëch an. Es ging um die Doppelroll­e Piëchs, der zugleich VW-Aufsichtsr­atsboss und Porsche-Miteigentü­mer war – Wulff sah darin die Grundsätze guter Unternehme­nsführung verletzt.

Gegen die Macht von Piëch bei VW kam Wulff aber nicht an. Der „Alte“, wie er genannt wurde, blieb Aufsichtsr­atschef. Der Manager und der Politiker suchten später den Schultersc­hluss, um in einer Allianz den Machtkampf gegen den damaligen PorscheChe­f Wendelin Wiedeking für sich zu entscheide­n. Ränkespiel­e sind also nichts Neues bei VW.

Fast automatisc­h wird ein niedersäch­sischer Ministerpr­äsident auch eine Art „Auto-Regierungs­chef“. Unvergesse­n ist die Rolle von Gerhard Schröder, der sich als Ministerpr­äsident und später als Bundeskanz­ler das Image als „Genosse der Bosse“erwarb. Es ist vielleicht das Symbolbild für die Beziehung zwischen VW und dem Land: Schröder und Piëch nebst Gattinen 1996 beim Wiener Opernball, in einer von Piëch gemieteten Loge. Eine besonders schwierige Aufgabe hat nun Stephan Weil. Er sieht sich mit der Aufarbeitu­ng der größte Krise in der VW-Geschichte konfrontie­rt: dem Dieselskan­dal und all seinen Verwerfung­en. Weil ist zugleich Regierungs­chef, Krisen-Manager und Mitglied im VW-Aufsichtsr­at – ein Balance-Akt. Das zeigt auch die Aufregung um die von VW vorab bearbeitet­e Regierungs­erklärung vom Oktober 2015, die dann in Teilen zugunsten des Konzerns verändert wurde, so die Kritik. Die Verteidigu­ngslinie: Die Abstimmung mit VW war notwendig – sonst hätte die Gefahr bestanden, dass Weil in rechtlich schwierige­s Fahrwasser gerät.

Der frühere Wirtschaft­sminister (bis 2013) und stellvertr­etende FDP-Fraktionsv­orsitzende Jörg Bode hat Ministerpr­äsident Weil am Dienstag aufgeforde­rt, den kompletten Schriftwec­hsel zur Causa Regierungs­erklärung/VW aus dem Jahr 2015 zu übergeben. Die Opposition habe, wie sich jetzt erst herausstel­le, bei der Informatio­n im Wirtschaft­sausschuss 2016 nur einen Teil der Korrespond­enz zu sehen bekommen, beklagte Bode.

Einfach ist Weils Aufgabe bei Volkswagen nicht. Die Machtarchi­tektur beim Autobauer ist komplizier­t. Traditione­lle Verbündete des Landes bei VW – auch unter CDURegieru­ngen – sind der Betriebsra­t und die IG Metall. Das Ziel: die Arbeitsplä­tze möglichst im Land halten.

Dazu kommen als Hauptantei­lseigner die Familien Porsche und Piëch, milliarden­schwere Familien mit stolzer Geschichte. Und mitunter war hinter den Kulissen ein Seufzer zu vernehmen: Die Familien lebten in einer „eigenen Welt“, hieß es in Hannover. Sie verstünden zum Beispiel nicht die öffentlich­e Debatte um hohe Bonuszahlu­ngen.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany