Eingebunden in komplizierte Machtarchitektur
;inisterpräsidenten immer wieder in Ränkespiele beim Autobauer >erwoben
HANNOVER/WOLFSBURG – Der Spruch ist alt, aber er passt: „Wenn VW hustet, hat Niedersachsen Grippe“– mindestens. Denn ohne Volkswagen geht nicht viel zwischen Harz und Küste. Ein Autokonzern und sein Bundesland: Das war und ist eine Geschichte voller Verflechtungen. Stellt sich die Frage: Wer ist Koch, wer Kellner?
Dazu gibt es eine aufschlussreiche Geschichte, sie spielt vor zehn Jahren. Als niedersächsischer Ministerpräsident und Mitglied im VW-Aufsichtsrat legte sich Christian Wulff (CDU) offen mit dem damaligen VW-Patriarchen Ferdinand Piëch an. Es ging um die Doppelrolle Piëchs, der zugleich VW-Aufsichtsratsboss und Porsche-Miteigentümer war – Wulff sah darin die Grundsätze guter Unternehmensführung verletzt.
Gegen die Macht von Piëch bei VW kam Wulff aber nicht an. Der „Alte“, wie er genannt wurde, blieb Aufsichtsratschef. Der Manager und der Politiker suchten später den Schulterschluss, um in einer Allianz den Machtkampf gegen den damaligen PorscheChef Wendelin Wiedeking für sich zu entscheiden. Ränkespiele sind also nichts Neues bei VW.
Fast automatisch wird ein niedersächsischer Ministerpräsident auch eine Art „Auto-Regierungschef“. Unvergessen ist die Rolle von Gerhard Schröder, der sich als Ministerpräsident und später als Bundeskanzler das Image als „Genosse der Bosse“erwarb. Es ist vielleicht das Symbolbild für die Beziehung zwischen VW und dem Land: Schröder und Piëch nebst Gattinen 1996 beim Wiener Opernball, in einer von Piëch gemieteten Loge. Eine besonders schwierige Aufgabe hat nun Stephan Weil. Er sieht sich mit der Aufarbeitung der größte Krise in der VW-Geschichte konfrontiert: dem Dieselskandal und all seinen Verwerfungen. Weil ist zugleich Regierungschef, Krisen-Manager und Mitglied im VW-Aufsichtsrat – ein Balance-Akt. Das zeigt auch die Aufregung um die von VW vorab bearbeitete Regierungserklärung vom Oktober 2015, die dann in Teilen zugunsten des Konzerns verändert wurde, so die Kritik. Die Verteidigungslinie: Die Abstimmung mit VW war notwendig – sonst hätte die Gefahr bestanden, dass Weil in rechtlich schwieriges Fahrwasser gerät.
Der frühere Wirtschaftsminister (bis 2013) und stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Jörg Bode hat Ministerpräsident Weil am Dienstag aufgefordert, den kompletten Schriftwechsel zur Causa Regierungserklärung/VW aus dem Jahr 2015 zu übergeben. Die Opposition habe, wie sich jetzt erst herausstelle, bei der Information im Wirtschaftsausschuss 2016 nur einen Teil der Korrespondenz zu sehen bekommen, beklagte Bode.
Einfach ist Weils Aufgabe bei Volkswagen nicht. Die Machtarchitektur beim Autobauer ist kompliziert. Traditionelle Verbündete des Landes bei VW – auch unter CDURegierungen – sind der Betriebsrat und die IG Metall. Das Ziel: die Arbeitsplätze möglichst im Land halten.
Dazu kommen als Hauptanteilseigner die Familien Porsche und Piëch, milliardenschwere Familien mit stolzer Geschichte. Und mitunter war hinter den Kulissen ein Seufzer zu vernehmen: Die Familien lebten in einer „eigenen Welt“, hieß es in Hannover. Sie verstünden zum Beispiel nicht die öffentliche Debatte um hohe Bonuszahlungen.