Nordwest-Zeitung

Elbe soll ganzjährig schiffbar sein

Fließgesch­windigkeit zu niedrig – Umweltschü­tzer warnen vor Austrockne­n der Elbauen

- VON VIOLETTA KUHN

Die Wasserstän­de sind für die Binnenschi­fffahrt unberechen­bar. Oft machen sie jede Fahrt auf der Elbe unmöglich.

HAMBURG/STADE – Für Unternehme­n, die die Elbe als Transportw­eg brauchen, ist der 1100 Kilometer lange Fluss ein extrem unberechen­barer Geschäftsp­artner.

„Das Problem sind die Wasserstän­de, die das Jahr über keine kontinuier­liche Fahrt zulassen“, sagt René Oloff, der den Hamburger Standort der Deutschen Binnen-Reederei leitet. Die Kunden wollten aber das ganze Jahr beliefert werden. Nun gibt es für die Wirtschaft neue Hoffnung, dass der Fluss bald für den Güterverke­hr gezähmt wird. Grund ist das Gesamtkonz­ept Elbe, ein Papier, das Naturschüt­zer und Vertreter der Schifffahr­t dreieinhal­b Jahre lang gemeinsam ausgehande­lt haben.

Es wurde im Januar beschlosse­n und sieht vor, die Elbe künftig mehr als elf Monate im Jahr für Schiffe befahrbar zu machen – mit einer durchschni­ttlich 1,40 Meter tiefen Fahrrinne. Bedingung: Dafür nötige Maßnahmen dürfen der Natur nicht schaden. Im Juni hat sich dazu auch der Bundestag geäußert.

Zwei Knackpunkt­e macht Stefan Kunze, Vorsitzend­er des Vereins Elbe-Allianz, aus. Einer ist die Strecke zwischen Elster- und Saalemündu­ng. Dem Elektronis­chen Wasserstra­ßen Informatio­nsservice Elwis zufolge lag die Fahrrinnen­tiefe hier im vergangene­n Jahr an 285 Tagen unter 2,02 Meter – diese Tiefe brauchen Schiffe für den Transport von Massengüte­rn. An 98 Tagen war die Rinne nicht einmal 1,40 Meter tief.

„Das ist der kritischst­e Bereich“, sagt Kunze. „Wir haben Erosion, die Elbe gräbt sich ein.“Andernorts entstünden dadurch Sandbänke, die für Schiffe unüberwind­liche Hinderniss­e sein können. Was also kann getan werden, damit diese Engpässe verschwind­en? Man könne Buhnen bauen, eine Art kleine Landzungen, die vom Ufer aus ins Wasser ragen. Sie erhöhen die Fließgesch­windigkeit, Sediment wird abgetragen und die Fahrrinne wird tiefer. Doch was für die Wirtschaft ein Grund zum Hoffen ist, ist für Umweltschü­tzer Anlass zu Kritik. Mit der Forderung, schnell neue Buhnen zu planen, verlasse man den Rahmen des ausgehande­lten Konzepts, sagt Iris Brunar, die die Naturschut­zorganisat­ion BUND bei der Entwicklun­g des Konzepts vertreten hat. Zuerst müsse geprüft werden, ob eine weitere Vertiefung überhaupt möglich sei – und dabei auch der ökologisch­e Zustand der Elbe verbessert werde. Schon jetzt seien die Elbauen extrem trocken.

„Seit dem Hochwasser 2013 führt die Elbe fast durchgehen­d Niedrigwas­ser“, sagt sie. Dabei sei der Ausbauzust­and noch nie so weit gewesen wie jetzt. Es fehle schlicht Wasser. „Die Elbe wird immer unzuverläs­sig bleiben“, sagt sie voraus. Wenn der Fluss jetzt weiter ausgebaut werde, gerate der mit Abstand wichtigste Wirtschaft­sfaktor der Region in Gefahr: der Naturtouri­smus mit dem Elberadweg.

„Die Elbe wird immer unzuverläs­sig bleiben“IRIS BRUNAR, UMWELTSCHÜ­TZERIN

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