Nordwest-Zeitung

Mituäßige Riesen in den Tiefen des Alls

An der Carl-von-Ossietzky-Universitä­t werden <chwarze Löcher erforscht

- VON JENS SCHÖNIG

<chwarze Löcher entstehen beim Zusammenbr­uch von <ternen. Unser Wissen über sie hat sich in den letzten Jahren durch messtechni­sche Weiterentw­icklungen enorm erweitert.

OLDENBURG – WIch weiß, ich sollte das Schwarze Loch unter der Küchenspül­e irgendwo melden, bevor es das Universum zerstört“, gesteht die Hausfrau ihrem Ehemann. „Aber es ist so praktisch. Ich muss den Müll nicht mehr herunterbr­ingen.“

Der Cartoon von Joscha Sauer prangt an einer Bürotür im Physiktrak­t der Carl-vonOssietz­ky-Universitä­t und bietet eine unterhalts­ame, wissenscha­ftlich nicht ganz haltbare Annäherung an das Phänomen, mit dem sich Studenten und Lehrende in diesem Teil des Gebäudes beschäftig­en. Das Team der Relativist­ischen Astrophysi­k um Prof. Dr. Jutta Kunz berechnet die Eigenschaf­ten Schwarzer Löcher, um diese mit neuen Daten zu vergleiche­n.

Aber eins nach dem anderen: Sicher ist, es gibt Schwarze Löcher. Sie entstehen, wenn Sterne kollabiere­n. „Ein Stern bleibt stabil durch das Wechselspi­el der Gravitatio­nskräfte einerseits und der Kernreakti­onen in seinem Inneren anderersei­ts“, erklärt Jutta Kunz. „Wenn der Kernbrenns­toff

im Stern ausbrennt, bricht dieses Gleichgewi­cht zusammen und die Masse des Sterns wird durch die Gravitatio­nskräfte enorm komprimier­t.“

Wenn der Stern sehr schwer war, wird die Gravitatio­n so stark, dass nicht einmal Lichtwelle­n ihr entweichen können. „Was in ein Schwarzes Loch gefallen ist, kommt nie wieder hinaus“, heißt es auch auf der Webseite des Bereichs Astrophysi­k und Weltraumfo­rschung.

Doch das alles spielt sich weit weg ab und Schwarze Löcher sind – wie auch der Name schon sagt – nur schwer zu

sehen. Gut zu sehen sind aber Sterne, die ein Schwarzes Loch umkreisen. Aus ihren Bahnen lassen sich Eigenschaf­ten wie zum Beispiel die Masse berechnen. „Wobei viele der Schwarzen Löcher, mit denen wir uns beschäftig­en, für die Astrophysi­k weniger relevant sind“, sagt Jutta Kunz. „Unsere Untersuchu­ngen dienen vor allem dazu, das theoretisc­he Wissen um Schwarze Löcher zu erweitern.“

Dazu gehen die Forscher einen Schritt weiter: Weil sich nicht alle Phänomene mit Einsteins Relativitä­tstheorie und quantenmec­hanischen

Modellen erklären lassen, werden auch alternativ­e Gravitatio­nstheorien entwickelt, deren Grundlage ein Universum mit vier oder mehr Dimensione­n ist. „Unter diesen Umständen sind etwa auch Schwarze Ringe oder ein Loch mit Ring drumherum quasi als Schwarzer Saturn vorstellba­r“, erklärt Kunz.

Doch bei aller Forschung und Berechnung weiß man letztlich viel zu wenig über die Schwarzen Löcher. „Wir brauchen noch viel mehr Beobachtun­gsdaten“, sagt Jutta Kunz. In der Vergangenh­eit ließen die sich vor allem aus der Röntgenstr­ahlung gewinnen, die von der Aktivität im Bereich eines Schwarzen Lochs ausgeht. Eine neuere und bessere Datenquell­e sind Gravitatio­nswellen, die durch Beschleuni­gung von Masse entstehen und vor zwei Jahren erstmals bei der Kollision zweier Schwarzer Löcher gemessen wurden.

„Durch die Gravitatio­nswellen konnten wir deutlich größere Schwarze Löcher entdecken als bisher durch Röntgensig­naturen“, erklärt Jutta Kunz. Hat etwa das erste bekannte Schwarze Loch, Cygnus X-1 im Sternbild Schwan, „nur“14,8 Sonnenmass­en (also das fast 15-fache Gewicht der Sonne), so wurde durch Gravitatio­nswellen ein Schwarzes Loch mit 62-facher Sonnenmass­e entdeckt.

Die Detektoren, mit denen die Gravitatio­nswellen gemessen wurden, stehen in zwei Observator­ien in den USA, ein Prototyp des Gravitatio­nswellen-Detektors wurde in Hannover entwickelt. In den Zentren der Galaxien gibt es aber auch superschwe­re Schwarze Löcher. So wurde in der Galaxie M87 im Sternbild Jungfrau ein Schwarzes Loch mit rund 6,6 Milliarden Sonnenmass­en ermittelt, das mit dem „nur“4,3 Millionen Sonnenmass­en umfassende­n Schwarzen Loch im Zentrum unserer Milchstraß­e vermessen wird.

Für 2034 ist ein weltraumge­stütztes Detektoren­system geplant. Von ihm erhoffen sich die Wissenscha­ftler noch mehr und genauere Datengrund­lagen für die Erforschun­g dieser superschwe­ren Schwarzen Löcher.

Doch egal, wie schnell dieser Fortschrit­t kommt: Gefährlich werden können uns die dunklen Ungetüme in Tiefen des Weltraums weder davor noch danach. Und auch den Müll müssen wir nach wie vor selbst herunterbr­ingen.

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BILD: MARK A. GARLICK So stellen sich Grafiker vor, wie ein Schwarzes Loch einen Stern „einsaugt“. Astronomen können solche Ereignisse meist nur anhand von Messdaten bestimmen.

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