„Crews an Bord wären ungeschützt“
Private Seenotretter brechen Hilfsaktionen im Mittelmeer ab
FRAGE: Herr Buschheuer, Ihre Seenotrettungsorganisation „Sea Eye“und andere ziehen ihre Schi e von der libyschen Küste ab. Warum unterbrechen sie die Bergung von schi brüchigen Flüchtlingen? BUSCHHEUER: Die libysche Küstenwache hat am Wochenende eigenmächtig die Zone erweitert, in die Schiffe ohne ihre Erlaubnis nicht einfahren dürfen. Das gilt jetzt bis zu 90 Seemeilen vor der libyschen Küste. Gleichzeitig wurde den Helfern und Retter der Nichtregierungsorganisationen mit Konsequenzen gedroht, falls sie einfahren würden. Unsere Crews an Bord wären ungeschützt. Dieses Risiko können wir natürlich nicht eingehen und diese Verantwortung nicht übernehmen. Da werden Leib und Leben bedroht. Die Ausweitung der libyschen Hoheitsgewässer verstößt gegen das internationale Seerecht. Die anderen Länder nehmen das einfach hin. FRAGE: Hat es in der Vergangenheit Vorkommnisse mit der
Küstenwache gegeben? BUSCHHEUER: In der Vergangenheit hat es etliche Vorkommnisse gegeben. Eines unserer Schnellboote ist gekapert und beschlagnahmt worden. Vier unserer Mitarbeiter waren von der libyschen Küstenwache vier Tage lang in Haft genommen worden und sind erst auf Druck des Auswärtigen Amtes wieder frei gekommen. Auf Helfer anderer NGOs wurden Schüsse abgefeuert. Sogar auf unbewaffnete Flüchtlingsboote wurde geschossen. Wir werden aus Sicherheitsgründen nicht mehr in dieses Seegebiet fahren. FRAGE: Müssen wir mit einer neuen Flüchtlingskrise rechnen? BUSCHHEUER: Es ist absurd zu glauben, man könne Menschen von der Flucht abhalten. Das gelingt nicht mit Mauern und auch nicht mit der Küstenwacht. Die Menschen werden sich andere Wege suchen, die womöglich noch gefährlicher sind. Damit muss man leider rechnen. Die Fluchtursachen müssen bekämpft werden, damit Flucht nicht mehr notwendig ist. Aber das wäre ein Traum.