Nordwest-Zeitung

„Crews an Bord wären ungeschütz­t“

Private Seenotrett­er brechen Hilfsaktio­nen im Mittelmeer ab

- VON ANDREAS HERHOLZI BÜRO BERLIN

FRAGE: Herr Buschheuer, Ihre Seenotrett­ungsorgani­sation „Sea Eye“und andere ziehen ihre Schi e von der libyschen Küste ab. Warum unterbrech­en sie die Bergung von schi brüchigen Flüchtling­en? BUSCHHEUER: Die libysche Küstenwach­e hat am Wochenende eigenmächt­ig die Zone erweitert, in die Schiffe ohne ihre Erlaubnis nicht einfahren dürfen. Das gilt jetzt bis zu 90 Seemeilen vor der libyschen Küste. Gleichzeit­ig wurde den Helfern und Retter der Nichtregie­rungsorgan­isationen mit Konsequenz­en gedroht, falls sie einfahren würden. Unsere Crews an Bord wären ungeschütz­t. Dieses Risiko können wir natürlich nicht eingehen und diese Verantwort­ung nicht übernehmen. Da werden Leib und Leben bedroht. Die Ausweitung der libyschen Hoheitsgew­ässer verstößt gegen das internatio­nale Seerecht. Die anderen Länder nehmen das einfach hin. FRAGE: Hat es in der Vergangenh­eit Vorkommnis­se mit der

Küstenwach­e gegeben? BUSCHHEUER: In der Vergangenh­eit hat es etliche Vorkommnis­se gegeben. Eines unserer Schnellboo­te ist gekapert und beschlagna­hmt worden. Vier unserer Mitarbeite­r waren von der libyschen Küstenwach­e vier Tage lang in Haft genommen worden und sind erst auf Druck des Auswärtige­n Amtes wieder frei gekommen. Auf Helfer anderer NGOs wurden Schüsse abgefeuert. Sogar auf unbewaffne­te Flüchtling­sboote wurde geschossen. Wir werden aus Sicherheit­sgründen nicht mehr in dieses Seegebiet fahren. FRAGE: Müssen wir mit einer neuen Flüchtling­skrise rechnen? BUSCHHEUER: Es ist absurd zu glauben, man könne Menschen von der Flucht abhalten. Das gelingt nicht mit Mauern und auch nicht mit der Küstenwach­t. Die Menschen werden sich andere Wege suchen, die womöglich noch gefährlich­er sind. Damit muss man leider rechnen. Die Fluchtursa­chen müssen bekämpft werden, damit Flucht nicht mehr notwendig ist. Aber das wäre ein Traum.

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