Wenn Polizisten die Faust entgegenfliegt
|DE-ZD immer wieder Schlägen ausgesetzt – Selbst Rentner und „Normalbürger“reagieren aggressiv
Polizeipräsident Johann Kühme ist entsetzt. Die Verantwortung sieht er in den Elternhäusern.
OLDENBURGER LAND – Zwei Polizisten stehen in einer Wohnung in Leer und versuchen, einen Streit zwischen einem Pärchen zu schlichten. Aus einem geselligen Abend wird eine körperliche Auseinandersetzung, bei der eine 28jährige Frau mehrfach auf ihren 32-jährigen Freund einschlägt.
Schon beim Eintreffen der Beamten wendet sich die aggressive Stimmung der Frau sofort gegen die Polizisten. Die stark alkoholisierte Frau geht auf die Beamten los.
Dieser aktuelle Fall vom Wochenende ist nur einer von vielen Einsätzen, bei denen Polizisten Opfer von Gewalttaten werden – obwohl sie nur ihre Arbeit machen.
„Auch wenn in der Polizeidirektion Oldenburg statistisch ein Rückgang zu verzeichnen ist, so ist Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und -beamte dennoch in keinster Weise hinzunehmen,“betont der Oldenburger Polizeipräsident Johann Kühme. Und sein Osnabrücker Amtskollege Bernhard Witthaut erklärte
nach der Gewalttat gegen seine Mitarbeiter am Wochenende: „Wir müssen alles daran setzen, dass die, die uns schützen, wieder sicherer arbeiten können.“
Die Polizeidirektion Osnabrück verzeichnet die meisten Angriffe gegen Polizisten in Niedersachsen. Jeder dritte Beamte dieser Dienststelle wurde statistisch gesehen im vergangenen Jahr Opfer von Gewalt, wie die Direktion mitteilte. 488 Fälle mit 955 betroffenen Polizisten seien registriertworden.
Im Bereich der Polizeidirektion
Oldenburg ist die Gewalt gegen Polizeibeamte erfreulicherweise leicht rückläufig. Von 542 Fällen im Jahr 2015 sank die Zahl im Jahr 2016 auf 482 Fälle.Die Zahl der Widerstandshandlungen ist im Jahr 2016 mit 290 Taten im Vergleich zum Vorjahr 2015 mit 287 Taten auf annähernd gleichem Niveau geblieben. Die Zahl der vorsätzlichen einfachen Körperverletzungen (zum Beispiel ein Faustschlag) ist um 28,6 Prozent von 150 Taten in 2015 auf 107 Taten im vergangenen Jahr gesunken.
Trotzdem müssen die Beamten laut Oldenburger Polizeidirektion immer wieder beleidigende Äußerungen, herablassendes Verhalten und Respektlosigkeit ihnen gegenüber feststellen.
„Es kann nicht akzeptiert werden, dass diejenigen, die tagtäglich für unsere Sicherheit sorgen, angegriffen, angepöbelt oder beleidigt werden – von wem auch immer“, stellt Polizeipräsident Johann Kühme klar.
Und Polizeiseelsorger Axel Kullik weiß, dass es längst nicht mehr die „üblichen Verdächtigen“ sind, die ausrasten, wenn Polizisten sie auf ihr Fehlverhalten hinweisen. „Da rotten sich Jugendgruppen, die eben noch zerstritten waren, plötzlich zusammen und gehen auf die Polizisten los, die eigentlich nur schlichten wollten“, berichtet Pfarrer Kullik vom kirchlichen Dienst in Polizei und Zoll im Bereich der Polizeidirektion Oldenburg und der Region Ostfriesland von seinen Erfahrungen. Es seien halt längst nicht mehr nur „Betrunkene und Kriminelle“, die auf Polizisten losgingen, sondern auch der spießige Bürger, der zu schnell gefahren ist oder die Rentnerin, die mit dem Fahrrad auf der falschen Seite unterwegs war.
„Respektlosigkeit und Gewalt gibt es nicht nur gegenüber Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, sondern auch gegenüber der Feuerwehr und den Rettungsdiensten. Für mich ebenfalls unfassbar und beschämend“, zürnt Kühme. Derartiges Verhalten müsse strafrechtlich konsequent verfolgt werden, meint der Polizeipräsident und sieht die Verantwortung für ein respektvolles Miteinander in den Elternhäusern: „Das Erlernen guten Benehmens beginnt in der Familie – und zwar durch Erziehung, aber auch durch Vorbildsein.“