Nordwest-Zeitung

Nach der Wahl ist vor der Wahl

,elchen Einfluss das Ergebnis in Berlin auf die Abstimmung in Niedersach­sen haben könnte

- VON DORIS HEIMANN UND MICHAEL EVERS

Kurz nach der Bundestags­wahl wird auch ein neuer Landtag gewählt. In der Vergangenh­eit ließ sich bei ähnlichen Konstellat­ionen ein Muster erkennen.

HANNOVER – Ei Nird ein hektischer Wechsel in Niedersach­sen – zumindest auf den Großplakat­en. Die riesigen mobilen Anzeigeflä­chen der Parteien sind bis zum 24. September ausschließ­lich für die Bundestags­wahl gebucht. Doch noch am Wahlabend, direkt nach Schließung der Wahllokale um 18 Uhr, werden die ersten Helferkolo­nnen ausrücken und die Stellfläch­en umkleben. Aus Bundestags­wahlkampag­ne wird Landtagswa­hlkampf, denn am 15. Oktober sollen die Niedersach­sen in einer vorgezogen­en Neuwahl ihren Landtag bestimmen – nur drei Wochen nach der Bundestags­wahl.

Erhoffter Mitnahmeef­fekt

Die enge Abfolge ist nicht nur logistisch, sondern auch politisch eine Herausford­erung. Geplant war alles anders, eigentlich sollte erst im Januar 2018 ein neuer niedersäch­sischer Landtag gewählt werden. Doch mit dem überrasche­nden Wechsel der Abgeordnet­en Elke Twesten von den Grünen zur CDU Anfang August verlor die rot-grüne Landesregi­erung von Ministerpr­äsident Stephan Weil (SPD) ihre Ein-StimmenMeh­rheit. In zähem Ringen einigten sich die Parteien auf den 15. Oktober für die vorgezogen­e Landtagswa­hl – wobei CDU und FDP keinen Hehl daraus machten, dass sie den Urnengang lieber zusammen mit der Bundestags­wahl am 24. September gesehen hätten, in der Hoffnung auf Mitnahmeef­fekte für Schwarz-Gelb.

Aber auch bei einem Abstand von drei Wochen ist die Trennschär­fe verloren gegangen, was Bundestags­wahlkampf ist und was Landtagswa­hlkampf. Sechs Mal tritt SPD-Kanzlerkan­didat Martin Schulz in den Wochen vor dem 24. September in Niedersach­sen auf, Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) kommt sieben Mal. Ist die Bundestags­wahl geschafft, werden beide erneut mehrfach in die niedersäch­sische WahlkampfB­ütt steigen.

Merkels Auftritte bringen einen Schub für die Kampagne des CDU-Spitzenkan­didaten Bernd Althusmann, der Ministerpr­äsident Weil ablösen will. Beim gemeinsame­n Auftritt in Steinhude vor ein paar Tagen klopften Merkel und Althusmann sich gegenseiti­g auf die Schulter.

„Hier in Niedersach­sen wird ein Grundstein für den Erfolg bei der Bundestags­wahl am 24. September gelegt“, sagt Althusmann. Die Kanzlerin versichert: „Ein Wechsel wird Niedersach­sen guttun, und wir werden gemeinsam dafür kämpfen.“Traditione­ll ist die CDU stark in dem Flächenlan­d: Bei der Bundestags­wahl 2013 erreichte sie ein Zweitstimm­energebnis von 41,1 Prozent, jüngste Umfragen sehen die Konservati­ven bei der bevorstehe­nden Landtagswa­hl bei 40 Prozent.

Regel gilt nicht mehr

Doch wie wird der Ausgang der Bundestags­wahl die so dicht darauf folgende Landtagswa­hl beeinfluss­en? 2002 etwa brachte die Bundestags­wahl einen Sieg für Rot/Grün, Bundeskanz­ler Gerhard Schröder (SPD) wurde wiedergewä­hlt. Im Frühjahr 2003 wählten Hessen und Niedersach­sen neue Landtage: In Niedersach­sen schaffte der CDU-Herausford­erer Christian Wulff den Sieg gegen den damaligen SPD-Ministerpr­äsidenten und heutigen Vizekanzle­r Sigmar Gabriel, in Hessen erhielt die CDU sogar die absolute Mehrheit.

„Es gab eine Regelhafti­gkeit in den vergangene­n Jahrzehnte­n. Die Wähler tendierten zu unterschie­dlicher Machtzutei­lung bei Bundes- und Landeseben­e“, sagt der Politikwis­senschaftl­er Karl-Rudolf Korte. Noch vor zehn Jahren hätte man verlässlic­h vorhersage­n können, dass die Chancen von Althusmann nach einem Wahlsieg von Merkel begrenzt sein würden. Aber das sei vorbei.

„Die Wähler sind heute bindungslo­ser, nutzungsor­ientierter und besser vernetzt als früher. Und sie vermischen die Ebenen von internatio­naler Politik, bundes- und landespoli­tischen Themen“, sagt Korte. Daher sei es vollkommen unklar, welche Konsequenz­en beispielsw­eise ein Sieg von Schwarz/Gelb im Bund auf die Niedersach­senWahl haben könnte.

Denkbar ist zudem, dass sich die Sondierung­sgespräche und Koalitions­verhandlun­gen nach der Bundestags­wahl mit Blick auf die anstehende Niedersach­sen-Wahl verzögern könnten. In Berlin soll daher schon das Wort „Niedersach­sen-Bremse“die Runde machen.

„Das sehe ich nicht so dramatisch. Die Sondierung­en werden sicher zügig beginnen“, sagte dazu Korte. Es komme aber auch darauf an, welche Koalition sich abzeichne. Bei einer „innovative­n neuen Konstellat­ion“– etwa einer Jamaika-Koalition oder Schwarz/Grün – würden sich die Vertreter der Parteien in Berlin aber sicherlich überlegen, ob das ihren Parteifreu­nden in Hannover hilft.

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DPA-BILD: PETERS Die Wahlplakat­e mit den Kandidaten für die Bundestags­wahl müssen in Niedersach­sen bald nach der Abstimmung den Plakaten für die Landtagswa­hl weichen.

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