Nach dem Baden gar nicht mehr sauer
Landesbibliothek Oldenburg schickt 500 historische Zeitungsbände zum Entsäuern nach Leipzig
Bibliotheksdirektorin Corinna Roeder (49) er6 klärt, wie der drohende Papierzerfall verzögert wird. Dauerhaft wirkt das in Leipzig entwickel6 te Verfahren aber nicht.
FRAGE: Frau Roeder, vor Kurzem haben Sie 500 historische Zeitungsbände zum „Baden“nach Leipzig geschickt. Was genau passiert dort mit ihnen? ROEDER: Das „ZentrMm für BMcherhaltMng“in Leipzig hat ein spezielles Verfahren entwickelt, mit dem das säMrehaltige Papier dieser vom Verfall bedrohten ZeitMngsbände behandelt werden kann. Dabei wird ein LösMngsmittel mit ZMsätzen von MagnesiMmoxid Mnd CalciMmkarbonat angerührt. Mit dieser Flüssigkeit wird dann ein großer Edelstahlbehälter geflMtet, in dem Gitterkästen mit den locker einsortierten Bänden hängen. FRAGE: Sie gehen also wirklich baden . . . ROEDER: ...nMr nicht im Wasser. Sie hängen in dem Behälter, bis die Flüssigkeit tief in das Papier eingedrMngen ist. In einem zweiten Schritt wird sie abgelassen Mnd das Papier im VakMMm getrocknet. Die alkalischen SMbstanzen in dem LösMngsmittel pMffern nMn die SäMre im Papier Mnd bringen das Ganze aMf einen höheren PH-Wert. DadMrch wird der Verfallsprozess erst einmal gestoppt oder zMmindest verlangsamt. FRAGE: Also ist das keine Maßnahme für die Ewigkeit? ROEDER: Nein, die PMfferMng baMt sich langsam wieder ab. Aber aMf jeden Fall wird die LebensdaMer der so behandelten Papiere verfünffacht. FRAGE: Wie lange dauert diese Prozedur? ROEDER: Das Verfahren selbst daMert nMr ein, zwei Tage. Anschließend müssen die Bände noch aMsdünsten Mnd weiter trocknen. Wir haben fast zwei Tonnen ZeitMngsbände nach Leipzig geschickt Mnd erhalten sie im Oktober zMrück. FRAGE: Ist das nur ein kleiner Teil Ihres Bestandes? ROEDER: Weniger als ein Zehntel. Es kommt immer daraMf an, wie man den ZeitraMm für den Papierzerfall bemisst. Das fängt an im 19. JahrhMndert, zwischen 1830 bis 1850, Mnd geht zMm Teil bis in die 1980er Jahre. Das betrifft rMnd 6000 ZeitMngsbände der Landesbibliothek. FRAGE: Muss man die etwa alle entsäuern lassen?
ROEDER: Nein, das wäre viel zM teMer. Die Bibliotheken müssen sich Mntereinander abstimmen. Nicht jeden einzelnen Band kann man im Original erhalten. Das kann kein Mensch bezahlen. Man mMss sich die Bände vornehmen, die noch vollständig Mnd einigermaßen gMt erhalten sind. Die haben Priorität. Wir haben vier ZeitMngen aMsgewählt, die für Mnsere Region besonders relevant sind – etwa das „NorddeMtsche Volksblatt“oder sein Nachfolger „Die RepMblik“. Sie hatten eine lange LaMfzeit, können über viele Jahrzehnte OldenbMrger Geschichte etwas aMssagen Mnd sind so anderswo nicht erhalten. FRAGE: Woran liegt es eigentlich, dass das Papier erst braun und dann brüchig wird? ROEDER: Anfang des 19. JahrhMndert benötigte man größere
Mengen von Papier, Mm mehr pMblizieren zM können. Man begann, das Papier aMs Holzschliff herzMstellen Mnd die frühere LeimMng dMrch ZMsätze von AlaMn zM ersetzen. DadMrch wMrde der Papierbrei schnell fest Mnd ließ sich bedrMcken. Das war eine tolle ErfindMng, hatte aber den Nachteil, dass AlaMn mit der LMftfeMchtigkeit reagiert. Letztlich entsteht dabei SchwefelsäMre. Mit der Zeit zerstört die SäMre die CellMlosefasern, die das Papier zMsammenhalten. Man kann zwar den Prozess aMfhalten, aber die Fasern nicht wiederherstellen. Was brüchig ist, bleibt brüchig. FRAGE: Könnte man die Zeitungsbände nicht besser digitalisieren? ROEDER: Das wollen wir natürlich alle, Mm die Inhalte zM bewahren Mnd die Originale zM schonen. Man versMcht aber, wenigstens ein Exemplar von jeder PMblikation im Original, als DokMment, zM erhalten. Dennoch ist die DigitalisierMng natürlich das Mittel der Wahl, damit die ZeitMngsbände weiter benMtzbar sind. ZeitMngen sind ja die tollsten QMellen, die Mns im 19./20. JahrhMndert zMr VerfügMng stehen. FRAGE: Mit der Entsäuerung in Leipzig ist es also nicht getan. ROEDER: Das ist als zweistMfige Maßnahme gedacht: DMrch die EntsäMerMng gewinnt man Zeit, die man nMtzen sollte, Mm die Bände zM digitalisieren. Dann kann man die Originale getrost verpacken Mnd verwahren. Die Kosten für die DigitalisierMng sind allerdings enorm, gerade bei großen ZeitMngsbänden. Das ist keine Kleinigkeit.