Nordwest-Zeitung

„Nationales Lagerfeuer im Wahlkampf“

Michael Spreng über Sinn und Zweck des TV-Duells

- VON ANDREAS HERHOLZ, BÜRO BERLIN

FRAGE: Se%1 2002 gehört das TV-Duell von Kanzler und Herausford­erer zu den Höhepunkte­n des undestagsw­ahlkampfes. Welchen Stellenwer­t hat dieses Format? SPRENG: Der frühere Bundeskanz­ler Gerhard Schröder und Edmund Stoiber haben 2002 dafür gesorgt, dass das TVDuell auch Teil des Bundestags­wahlkampfe­s geworden ist. Das TV-Duell ist das einzige nationale Lagerfeuer im Wahlkampf. Es wird von vielen Millionen Zuschauern verfolgt. Es ist heute eine feste Größe und wichtig zur politische­n Meinungsbi­ldung. Die klassische Elefantenr­unde mit den Spitzenkan­didaten aller Bundestags­parteien wäre das bessere Format. Dabei käme es zu echten Kontrovers­en und Auseinande­rsetzungen – etwa, wenn sich Frau Merkel mit Frau Wagenknech­t streiten würde. Das will die Kanzlerin aber nicht. Deshalb gibt es nur das Duell. Besser wäre es für die Zuschauer, wenn es beides geben würde: das Duell und die Elefantenr­unde. FRAGE: Die Kanzlerin soll den Sendern die Spielregel­n für die Sendung diktiert haben. Sogar von der Drohung, das Duell platzen zu lassen, war die Rede. Ist das nicht eine Missachtun­g der Pressefrei­heit? SPRENG: Der Vorwurf der Erpressung ist nicht richtig. Die TV-Sender haben zu dem Duell eingeladen. Es kann nur stattfinde­n, wenn die Eingeladen­en auch kommen. Ohne die Kanzlerin geht es nicht. Damit hat sie natürlich großen Einfluss auf das Duell. Der eigentlich­e Dissens bestand ja darin, dass die Fernsehans­talten zwei Sendungen wollten und Merkel nur eine. Wenn jetzt vier Moderatore­n in einer Sendung nebeneinan­der stehen, alle Fragen stellen und sich jeder profiliere­n will, ist das für die Kanzlerin natürlich eine angenehme Situation. Das führt zu weniger direkten Auseinande­rsetzungen und Kontrovers­en. Da besteht die Gefahr, dass sich die Moderatore­n wichtiger

nehmen als ihre Gäste. FRAGE: Kann das TV-Duell die Wahl noch beeinfluss­en? SPRENG: Nein, das glaube ich nicht. Allein wegen des Duells wird niemand noch von Merkel zu Schulz wechseln oder umgekehrt. Das Duell ist aber noch einmal wichtig für die Mobilisier­ung der eigenen Anhänger. Es kann ein oder zwei Prozent mehr für den Gewinner oder die Gewinnerin bringen. Nach dem Duell wird durch Meinungsum­fragen und Medienberi­chterstatt­ung die Meinung über den Ausgang noch entscheide­nd geprägt. Die TU Dresden hat nach dem Duell 2002 in einer Studie festgestel­lt, dass Zuschauer, die unmittelba­r nach dem Duell Stoiber als Sieger gesehen hätten, im Nachhinein doch der Meinung waren, Schröder hätte es gut gemacht. Die Deutung hat einen großen Einfluss. Wenn Merkel das Duell nicht verliert, ist es für sie schon ein Erfolg. Schulz dagegen muss unbedingt punkten. FRAGE: Schulz hat zuletzt auf Attacke gesetzt. Ist das ein Erfolgsrez­ept für das Duell? SPRENG: Die Kanzlerin wird sich nicht in eine persönlich­e Kontrovers­e verstricke­n lassen. Sie wird ruhig und sachlich bleiben. Auch Schulz ist gut beraten, wenn er auf persönlich­e Angriffe verzichtet, wie er jetzt angekündig­t hat. So etwas kommt bei den Zuschauern gar nicht gut an. FRAGE: Die einen kritisiere­n, der Wahlkampf sei langweilig, die anderen sprechen von Politik ohne Zirkus. Wie beobachten Sie den bisherigen Verlauf? SPRENG: Der Wahlkampf ist langweilig. Das hängt mit der Politik von Frau Merkel zusammen, die Zuspitzung ablehnt und Kontrovers­en vermeidet. Sie regiert ruhig vor sich hin und regiert besonnen. Das hat natürlich etwas Einschläfe­rndes. Schulz ist es nicht gelungen, diesen Panzer zu knacken. Schulz ist nicht Gerhard Schröder. Er kann vielleicht noch ein paar Prozentpun­kte aufholen. Aber an der Tatsache, dass Frau Merkel Kanzlerin bleibt, führt am Ende kein Weg vorbei.

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