„Nationales Lagerfeuer im Wahlkampf“
Michael Spreng über Sinn und Zweck des TV-Duells
FRAGE: Se%1 2002 gehört das TV-Duell von Kanzler und Herausforderer zu den Höhepunkten des undestagswahlkampfes. Welchen Stellenwert hat dieses Format? SPRENG: Der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder und Edmund Stoiber haben 2002 dafür gesorgt, dass das TVDuell auch Teil des Bundestagswahlkampfes geworden ist. Das TV-Duell ist das einzige nationale Lagerfeuer im Wahlkampf. Es wird von vielen Millionen Zuschauern verfolgt. Es ist heute eine feste Größe und wichtig zur politischen Meinungsbildung. Die klassische Elefantenrunde mit den Spitzenkandidaten aller Bundestagsparteien wäre das bessere Format. Dabei käme es zu echten Kontroversen und Auseinandersetzungen – etwa, wenn sich Frau Merkel mit Frau Wagenknecht streiten würde. Das will die Kanzlerin aber nicht. Deshalb gibt es nur das Duell. Besser wäre es für die Zuschauer, wenn es beides geben würde: das Duell und die Elefantenrunde. FRAGE: Die Kanzlerin soll den Sendern die Spielregeln für die Sendung diktiert haben. Sogar von der Drohung, das Duell platzen zu lassen, war die Rede. Ist das nicht eine Missachtung der Pressefreiheit? SPRENG: Der Vorwurf der Erpressung ist nicht richtig. Die TV-Sender haben zu dem Duell eingeladen. Es kann nur stattfinden, wenn die Eingeladenen auch kommen. Ohne die Kanzlerin geht es nicht. Damit hat sie natürlich großen Einfluss auf das Duell. Der eigentliche Dissens bestand ja darin, dass die Fernsehanstalten zwei Sendungen wollten und Merkel nur eine. Wenn jetzt vier Moderatoren in einer Sendung nebeneinander stehen, alle Fragen stellen und sich jeder profilieren will, ist das für die Kanzlerin natürlich eine angenehme Situation. Das führt zu weniger direkten Auseinandersetzungen und Kontroversen. Da besteht die Gefahr, dass sich die Moderatoren wichtiger
nehmen als ihre Gäste. FRAGE: Kann das TV-Duell die Wahl noch beeinflussen? SPRENG: Nein, das glaube ich nicht. Allein wegen des Duells wird niemand noch von Merkel zu Schulz wechseln oder umgekehrt. Das Duell ist aber noch einmal wichtig für die Mobilisierung der eigenen Anhänger. Es kann ein oder zwei Prozent mehr für den Gewinner oder die Gewinnerin bringen. Nach dem Duell wird durch Meinungsumfragen und Medienberichterstattung die Meinung über den Ausgang noch entscheidend geprägt. Die TU Dresden hat nach dem Duell 2002 in einer Studie festgestellt, dass Zuschauer, die unmittelbar nach dem Duell Stoiber als Sieger gesehen hätten, im Nachhinein doch der Meinung waren, Schröder hätte es gut gemacht. Die Deutung hat einen großen Einfluss. Wenn Merkel das Duell nicht verliert, ist es für sie schon ein Erfolg. Schulz dagegen muss unbedingt punkten. FRAGE: Schulz hat zuletzt auf Attacke gesetzt. Ist das ein Erfolgsrezept für das Duell? SPRENG: Die Kanzlerin wird sich nicht in eine persönliche Kontroverse verstricken lassen. Sie wird ruhig und sachlich bleiben. Auch Schulz ist gut beraten, wenn er auf persönliche Angriffe verzichtet, wie er jetzt angekündigt hat. So etwas kommt bei den Zuschauern gar nicht gut an. FRAGE: Die einen kritisieren, der Wahlkampf sei langweilig, die anderen sprechen von Politik ohne Zirkus. Wie beobachten Sie den bisherigen Verlauf? SPRENG: Der Wahlkampf ist langweilig. Das hängt mit der Politik von Frau Merkel zusammen, die Zuspitzung ablehnt und Kontroversen vermeidet. Sie regiert ruhig vor sich hin und regiert besonnen. Das hat natürlich etwas Einschläferndes. Schulz ist es nicht gelungen, diesen Panzer zu knacken. Schulz ist nicht Gerhard Schröder. Er kann vielleicht noch ein paar Prozentpunkte aufholen. Aber an der Tatsache, dass Frau Merkel Kanzlerin bleibt, führt am Ende kein Weg vorbei.