Nordwest-Zeitung

Muntere Kontrovers­e statt Konsens

Schulz zeigt klare Kante – und bringt Kanzlerin Merkel doch nicht ins *aumeln

- VON ANDREA5 HERHOLZ, BÜRO BERLIN

|m Ende gibt es nur Gewinner. Angela Merkels Parteifreu­nde sehen die Kanzlerin 0orn. Die SPD-Anhänger dagegen feiern ihren Kandidaten Martin Schulz.

BERLIN – Eiötzlich ist die Zeit auch schon vorüber, bleiben nur noch die Schlusswor­te. Martin Schulz ist als erster an der Reihe: „Wir leben in einer Zeit des Umbruchs“, beschwört er. „In dieser Zeit ist das beste Mittel der Mut zum Aufbruch, um die Zukunft zu gestalten, und nicht die Vergangenh­eit zu verwalten“, geht er noch einmal in die Offensive, setzt seinen kämpferisc­hen Schlusspun­kt zum Ende des großen TV-Duells vor rund 20 Millionen Zuschauern, übertragen von vier Sendern. Dann kommt die Kanzlerin noch einmal zu Wort: Sie habe die „Mischung aus Erfahrung der vergangen Jahre und der Neugier auf das Neue“, versucht sie ihren Trumpf als Fels in der Brandung zu ziehen. Deutschlan­d müsse auch in zehn Jahren ein starkes Land sein. „Ich glaube, das wir das gemeinsam schaffen können“, sagt sie. „Dafür möchte ich arbeiten, darum bitte ich Sie um Vertrauen“, sagt die Kanzlerin, und wünscht den Zuschauern

noch „einen guten Abend”.

Showdown in „Studio B“in Berlin-Adlershof, drei Wochen vor der Bundestags­wahl. Plötzlich knistert es. Hochspannu­ng statt Schlafwage­nWahlkampf. Wird es jetzt nach dem großen TV-Zweikampf noch einmal spannend bis zur Bundestags­wahl am 24. September? Die SPD legt in Umfragen zu auf 24 Prozent –geht da noch was? Gelingt am Ende noch eine fulminante Aufholjagd? Laut Demoskopen ist die Zahl der Unentschlo­ssenen so hoch wie nie.

95 Minuten präsentier­en sich Kanzlerin und Kandidat vor Millionenp­ublikum. Das erste – und einzige – direkte Aufeinande­rtreffen. Merkel gegen Schulz, Schulz gegen Merkel live zur besten Sendezeit, es ist der große Straßenfeg­er, aber auch das „Hochamt

des Wahlkampfe­s“? Nur 1,40 Meter sind die Stehpulte der beiden voneinande­r Studio entfernt.

Merkel im blauen Blazer, Schulz im dunklen Anzug mit blauer Krawatte –- schnell wird klar: Das Tempo ist hoch. Es wird ein echtes Duell, kein Duett. Schulz gibt sich von Anfang an selbstbewu­sst. Jeder zweite Wähler in Deutschlan­d sei noch nicht festgelegt, glaubt der SPD-Chef an seine Chance. Sie sei Vorsitzend­e einer Partei, die „für Maß und Mitte“stehe, kontert Merkel. Seinen Vorwurf, die Kanzlerin begehe mit ihrem Wahlkampf-Stil, der auf Zuspitzung verzichtet, „einen Anschlag auf die Demokratie“, zieht er wieder zurück. In der Schärfe werde er das nicht wiederhole­n. Aber die Demokratie werde eben „nicht im

Schlafwage­n“verteidigt, so Schulz.

Mit hohem Tempo geht es zur Sache. Migration, Außenpolit­ik, Europa, soziale Gerechtigk­eit, der Diesel-Skandal, Innere Sicherheit – die großen Duell-Themen. „Wenn ich Kanzler werde...“, setzt Schulz an, als es um die Türkei-Politik geht. „Dann werde ich vorschlage­n, die Beitrittsv­erhandlung­en mit Ankara zu stoppen.“Damit überrumpel­t der die Kanzlerin, die zunächst heftig widerspric­ht. „Ob wir die Tür zuschlagen oder die Türkei – das wird man sehen“, antwortet Merkel. Man dürfe sich nicht im Wahlkampf gegenseiti­g überbieten im Wettbewerb darüber, wer härter sei. Doch dann schwenkt sie ein, erklärt, sie wolle versuchen, in der EU Einigkeit mit Blick auf den Abbruch

der Beitrittsg­espräche zu erzielen. Klarer Punkt für Schulz.

In der Flüchtling­spolitik räumt Merkel Fehler ein. Man habe sich zu wenig um die Lage in den Flüchtling­slagern in der Türkei und anderen Ländern der Region gekümmert. Das werde so nie wieder passieren „Tut mir leid, Frau Merkel...“, entgegnet Schulz. Der große Fehler der Kanzlerin sei gewesen, die anderen Länder Europas 2015 vor ihren Entscheidu­ngen in der Flüchtling­spolitik nicht einbezogen zu haben. Merkel lässt den Vorwurf abtropfen – und macht klar, dass sie beim Thema Abschiebun­gen auf Konsequenz setzt, die Außengrenz­en Europas besser schützen und Moscheen schließen will, „wenn dort Dinge geschehen, die uns nicht gefallen“.

 ?? AP-BILD: 5ACH5 ?? Die Moderatore­n des TV-Duells (von links): 5andra Maischberg­er (ARD), Claus 5trunz (5AT1), Maybrit Illner (ZDF) und Peter Kloeppel (RTL)
AP-BILD: 5ACH5 Die Moderatore­n des TV-Duells (von links): 5andra Maischberg­er (ARD), Claus 5trunz (5AT1), Maybrit Illner (ZDF) und Peter Kloeppel (RTL)
 ?? BILD: IMG RTL D ?? Ministerpr­äsidentin Manuela 5chwesig (5PD, Mitte) und der Vorsitzend­e der 5PD-Bundestags­fraktion, Thomas Oppermann (vorne rechts), verfolgen das TV-Duell
BILD: IMG RTL D Ministerpr­äsidentin Manuela 5chwesig (5PD, Mitte) und der Vorsitzend­e der 5PD-Bundestags­fraktion, Thomas Oppermann (vorne rechts), verfolgen das TV-Duell

Newspapers in German

Newspapers from Germany