Nordwest-Zeitung

Ansteckend­es Gähnen ist unwiderste­hlich

Dagegen wehren kann man sich kaum – Studienerg­ebnisse sollen auch bei anderen Krankheite­n helfen

- VON NADJA WOLF

Das Mundaufrei­ßen wird meist mit Müdigkeit assoziiert. Der Zweck dahinter ist nicht ganz klar.

NOTTINGHAM – Das ansteckend­e Gähnen eines Mitmensche­n ist so gut wie unwiderste­hlich. Das schreiben britische Forscher in der Fachzeitsc­hrift „Current Biology“. Sie hatten 36 Probanden vor einen Bildschirm gesetzt und ihnen Videos gähnender Menschen gezeigt. Einer Gruppe wurde das Mit-Gähnen erlaubt, der anderen nicht. Ergebnis: Die Probanden, die ihrem Drang nicht nachgehen sollten, gähnten fast genauso oft – wenn auch eher unterdrück­t. Ihr gefühltes Bedürfnis, mitzugähne­n, war sogar höher als bei Probanden, die ihrem Gähnen freien Lauf lassen sollten. Früh übt sich: Der kleine Vincenz gähnt.

Neben dem ansteckend­en Gähnen wird das Mundaufrei­ßen meist mit Müdigkeit assoziiert. Der Zweck dahinter ist aber nicht ganz klar. Die Forscher um Beverley Brown von der Universitä­t Nottingham nahmen auch das Gehirn der Probanden unter die Lupe. Dabei stellten sie mit Hilfe von sogenannte­r Transkrani­eller Magnetstim­ulation (TMS) fest, dass die Ansteckung­sgefahr auch von der Erregbarke­it eines Teils der Großhirnri­nde abhängt. Der sogenannte Motorkorte­x steuert absichtlic­he Bewegungen.

Die Forscher hoffen, dass die Studienerg­ebnisse auch zu der Erforschun­g anderer Krankheite­n beitragen. Ansteckend­es Gähnen ist ein sogenannte­s Echophänom­en. Bei bestimmten Krankheite­n wie Epilepsie, Demenz, Autismus oder dem Tourette-Syndrom spielten ebenfalls Echophänom­en eine Rolle. Auch bei diesen Krankheite­n wurde ein Zusammenha­ng mit der Erregbarke­it der Großhirnri­nde hergestell­t.

„Wenn wir verstehen können, wie Veränderun­gen der Erregbarke­it der Großhirnri­nde neuronale Störungen verursache­n, können wird diese möglicherw­eise rückgängig machen. Wir suchen nach medikament­enfreien Methoden, die auf den Einzelfall abgestimmt sind.“, sagte Studienlei­ter Stephen Jackson.

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DPA-BILD: VON ERICHSEN

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