Hummels punktet auch neben dem Platz
Abwehrchef findet deutliche Worte für Entgleisungen deutscher Fans in Prag
Hummels ist ein Fußball-Profi, der Haltung zeigt – so auch nach dem Spiel in Tschechien. Bundestrainer Löw nannte ihn ein Vorbild.
STUTTGART/PRAG – Es waren nur wenige Minuten, aber sie haben den Blick auf Mats Hummels verändert. Wenn es noch eines Beweises bedurft hatte, dass der Fußball-Weltmeister auch ein Anführer ist: Da war er, in der Prager Arena, am späten Freitagabend, komprimiert auf zwei Szenen. Auf dem Platz köpfte der Bayern-Profi in der 88. Minute das Siegtor im WM-Qualifikationsspiel gegen Tschechien – im Pressebereich profilierte er sich überdeutlich als Sprachrohr gegen die Nazi-Chaoten neben dem deutschen Fanblock.
Hummels ist ein Leader. Eine Respektsperson. Nicht umsonst schwärmte Bundestrainer Joachim Löw von einem „überragenden Auftritt“eines „Vorbildes für die jungen Spieler“– und da kannte er die Ansprache des Bayern-Profis noch gar nicht.
Als DFB-Präsident Reinhard Grindel dann am Samstag das „feine Gespür“der Mannschaft lobte, nach dem Spiel nicht in die Fankurve gegangen zu sein und das widerliche Fehlverhalten klar anzusprechen, war das sehr explizit auf Hummels gemünzt.
„Es war so weit daneben. Es stand nicht zur Diskussion,
dass man noch hingeht“, hatte Hummels den Verzicht auf den Gang in die Fankurve nach dem Spiel in Prag erklärt.
„Katastrophe. Ganz schlimm“, schimpfte der 28Jährige über einen Teil der deutschen „Fans“im Stadion in der tschechischen Hauptstadt. Pöbeleien, vereinzelte Sieg-Heil-Rufe, üble Beleidigungen gegen den Deutschen
Fußball-Bund (DFB) und Stürmer Timo Werner waren aus einem Pulk von etwa 200 Personen zu hören gewesen. Beide Nationalhymnen und eine Schweigeminute wurden mit Unflätigkeiten gestört.
„Da distanzieren wir uns komplett von, damit wollen wir nichts zu tun haben“, sagte ein wütender Hummels und ergänzte: „Das sind keine
Fans, das sind Krawallmacher, Hooligans, die haben nichts mit Fußballfans zu tun. Die müssen wir aus dem Stadion rauskriegen.“
Hummels ist ein Musterprofi, skandalfrei, intelligent und reflektiert, bisweilen ironisch. Ihm wird vertraut. Er erlaubt sich Haltung und Meinung, was bei Spitzenfußballern nicht mehr allzu verbreitet ist. Kaum einen Spieler hörte man klarer über die Ultra-Diskussion reden. Er sei „eher skeptisch Ultras gegenüber“, sagte Hummels einmal: „Ich habe in meiner Karriere nicht so gute Erfahrungen gemacht bisher.“
Das spielte auf die Umstände seines Wechsels von Borussia Dortmund nach München 2016 an. „Ich bin ein großer Freund von Fans, die sich für Dinge einsetzen“, betont er. „Aber wenn es, wie jetzt immer öfter, gewalttätig und beleidigend wird, dann ist es der komplett falsche Weg.“In Prag hätte er das gleich wiederholen können.
Bundestrainer Löw verurteilte unterdessen in scharfer
Form die Vorkommnisse in Tschechien. „Ich bin voller Wut und sehr, sehr angefressen über das, was passiert ist. Dass einige sogenannte Fans die Bühne des Fußballs und eines Länderspiels benutzen, um mit ihrem oberpeinlichen Auftreten viel Schande über unser Land zu bringen“, sagte Löw am Sonntag in Stuttgart, wo das DFB-Team an diesem Montag (20.45 Uhr/RTL) in der WM-Qualifikation auf Norwegen trifft.
„Wenn wir das Trikot anziehen und ins Ausland gehen, ist es für uns immer eine wichtige Prämisse, dass wir unser Land würdig vertreten, dass wir für Werte stehen wie ein respektvolles und tolerantes Deutschland“, erklärte der Coach: „Diese Chaoten beschädigen dieses Bild.“
Deutlich wie selten zuvor forderte Löw harte Strafen. „Ich bin klar auf der Seite, die absolut harte Sanktionen fordert“, meinte der 57-Jährige: „Jeder von diesen Leuten, der nicht ins Stadion kann und darf, ist ein absoluter Gewinn.“