Nordwest-Zeitung

Hummels punktet auch neben dem Platz

Abwehrchef findet deutliche Worte für Entgleisun­gen deutscher Fans in Prag

- VON THOMAS NIKLAUS UND KLAUS BERGMANN

Hummels ist ein Fußball-Profi, der Haltung zeigt – so auch nach dem Spiel in Tschechien. Bundestrai­ner Löw nannte ihn ein Vorbild.

STUTTGART/PRAG – Es waren nur wenige Minuten, aber sie haben den Blick auf Mats Hummels verändert. Wenn es noch eines Beweises bedurft hatte, dass der Fußball-Weltmeiste­r auch ein Anführer ist: Da war er, in der Prager Arena, am späten Freitagabe­nd, komprimier­t auf zwei Szenen. Auf dem Platz köpfte der Bayern-Profi in der 88. Minute das Siegtor im WM-Qualifikat­ionsspiel gegen Tschechien – im Pressebere­ich profiliert­e er sich überdeutli­ch als Sprachrohr gegen die Nazi-Chaoten neben dem deutschen Fanblock.

Hummels ist ein Leader. Eine Respektspe­rson. Nicht umsonst schwärmte Bundestrai­ner Joachim Löw von einem „überragend­en Auftritt“eines „Vorbildes für die jungen Spieler“– und da kannte er die Ansprache des Bayern-Profis noch gar nicht.

Als DFB-Präsident Reinhard Grindel dann am Samstag das „feine Gespür“der Mannschaft lobte, nach dem Spiel nicht in die Fankurve gegangen zu sein und das widerliche Fehlverhal­ten klar anzusprech­en, war das sehr explizit auf Hummels gemünzt.

„Es war so weit daneben. Es stand nicht zur Diskussion,

dass man noch hingeht“, hatte Hummels den Verzicht auf den Gang in die Fankurve nach dem Spiel in Prag erklärt.

„Katastroph­e. Ganz schlimm“, schimpfte der 28Jährige über einen Teil der deutschen „Fans“im Stadion in der tschechisc­hen Hauptstadt. Pöbeleien, vereinzelt­e Sieg-Heil-Rufe, üble Beleidigun­gen gegen den Deutschen

Fußball-Bund (DFB) und Stürmer Timo Werner waren aus einem Pulk von etwa 200 Personen zu hören gewesen. Beide Nationalhy­mnen und eine Schweigemi­nute wurden mit Unflätigke­iten gestört.

„Da distanzier­en wir uns komplett von, damit wollen wir nichts zu tun haben“, sagte ein wütender Hummels und ergänzte: „Das sind keine

Fans, das sind Krawallmac­her, Hooligans, die haben nichts mit Fußballfan­s zu tun. Die müssen wir aus dem Stadion rauskriege­n.“

Hummels ist ein Musterprof­i, skandalfre­i, intelligen­t und reflektier­t, bisweilen ironisch. Ihm wird vertraut. Er erlaubt sich Haltung und Meinung, was bei Spitzenfuß­ballern nicht mehr allzu verbreitet ist. Kaum einen Spieler hörte man klarer über die Ultra-Diskussion reden. Er sei „eher skeptisch Ultras gegenüber“, sagte Hummels einmal: „Ich habe in meiner Karriere nicht so gute Erfahrunge­n gemacht bisher.“

Das spielte auf die Umstände seines Wechsels von Borussia Dortmund nach München 2016 an. „Ich bin ein großer Freund von Fans, die sich für Dinge einsetzen“, betont er. „Aber wenn es, wie jetzt immer öfter, gewalttäti­g und beleidigen­d wird, dann ist es der komplett falsche Weg.“In Prag hätte er das gleich wiederhole­n können.

Bundestrai­ner Löw verurteilt­e unterdesse­n in scharfer

Form die Vorkommnis­se in Tschechien. „Ich bin voller Wut und sehr, sehr angefresse­n über das, was passiert ist. Dass einige sogenannte Fans die Bühne des Fußballs und eines Länderspie­ls benutzen, um mit ihrem oberpeinli­chen Auftreten viel Schande über unser Land zu bringen“, sagte Löw am Sonntag in Stuttgart, wo das DFB-Team an diesem Montag (20.45 Uhr/RTL) in der WM-Qualifikat­ion auf Norwegen trifft.

„Wenn wir das Trikot anziehen und ins Ausland gehen, ist es für uns immer eine wichtige Prämisse, dass wir unser Land würdig vertreten, dass wir für Werte stehen wie ein respektvol­les und tolerantes Deutschlan­d“, erklärte der Coach: „Diese Chaoten beschädige­n dieses Bild.“

Deutlich wie selten zuvor forderte Löw harte Strafen. „Ich bin klar auf der Seite, die absolut harte Sanktionen fordert“, meinte der 57-Jährige: „Jeder von diesen Leuten, der nicht ins Stadion kann und darf, ist ein absoluter Gewinn.“

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DPA-BILD: WOITAS Einer, der vorangeht und seine Meinung sagt: Mats Hummels auf dem Weg zu einer Pressekonf­erenz
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DPA-BILD: JAN WOITAS Deutsche Fans zünden Pyrotechni­k w=hrend des Spiels am Freitag gegen Tschechien in Prag.

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