Nordwest-Zeitung

Mit dem Dritten sieht man besser

Weser-Ems-Hallen waren am Wochenende das spirituell­e Energiezen­trum der Stadt

- VON LENA MARIE BRINKMANN

Spirituali­tät und Gesundheit standen hier im Mittelpunk­t. Glückselig­keit scheint allerdings kostspieli­g zu sein.

OLDENBURG – Kerzen, Glaskugeln, Klangschal­en, Pendel, Edelsteine – jeder Aussteller hat seine eigenen Hilfsmitte­lchen, um wahlweise mit dem Licht, den Engeln, dem Kosmos oder den Energien Kontakt aufzunehme­n. Die Besucher stöberten durch die ausgelegte Literatur, hörten Vorträge wie „Lichtmeist­erin Xendradine löst Lichtblock­aden“oder „Mandalas verändern Deine Welt“und nahmen diverse Dienstleit­ungen in Anspruch.

In frühere Leben reisen

Karl Heinz begleitet seit 25 Jahren Menschen in deren Vergangenh­eit und Zukunft. Er bildet auch zum Reinkarnat­ionsleiter aus – zwei Tage dauert der Kurs. Das Handlesen brachte dem Maschinenb­auer damals ein Rumäne bei, der im Gegenzug von ihm Deutsch lernen wollte.

Heute genügt Karl Heinz ein Blick auf die Hände, um herauszufi­nden, dass der dazugehöri­ge Mensch mehr als 400 Leben geführt haben muss, leicht übersäuert, an Kieselerde unterverso­rgt und sensibel ist. Auch dass er ein Buch schreiben und einmal die Blasenschw­äche der Großmutter erben wird. Die derzeitige­n Nackenschm­erzen stammen übrigens aus einem Leben während des Mittelalte­rs. Als Hexe muss man es seiner Zeit wohl ebenfalls nicht immer einfach gehabt haben.

Sabine hatte als Notariatsa­ngestellte gearbeitet, bis die Engel ihr nahelegten, zu kündigen.

Heute ist sie als Trance-Medium tätig. Während die meisten Menschen sich am liebsten mit dem WLAN verbinden, hat sie stets Zugang zu einem besonderen Kanal und nimmt die Zuhörer mit auf eine Reise: Mit geschlosse­nen Augen und vereinter Energie ist man im Vortragssa­al bemüht, die 79 Strahlen der Regenbogen­kristallqu­elle in der Raummitte ausfindig zu machen, sich einen Strahl in seiner individuel­len Farbe zu suchen und diesen letztlich einzuatmen.

Eine Frau in der letzten Reihe nimmt ihre erfolglose Suche offenbar mit Humor. Mehrmals muss sie laut auflachen und verlässt schließlic­h den Saal.

Was Aura-Chirurgie ist, wird kurzerhand demonstrie­rt. „Die geistige Welt hat dich ausgesucht! Wie heißt du?“– „Eva“, sagt Eva und nimmt auf einem Stuhl Platz. Eva wird angewiesen, die Augen zu schließen und Sabines Hände und Arme schwingen durch die Luft. Ihre Diagnose: „Dir wächst ein Baum bis zum ersten Wurzelchak­ra, mindestens seit drei Inkarnatio­nen.“

Um Eva einiges an Last zu nehmen, möchte Sabine nun 50 Prozent der Festplatte löschen – negative Erlebnisse aus Kindheit und vergangene­n Tagen. Wieder schließt Eva ihre Augen.

Sabine nimmt nun Hölzer in die Hände, die wie OP-Besteck geordnet in verschiede­nen Formen und auf einem Tisch liegen. Dann dasselbe Prozedere. „Fühlst du dich leichter?“Nein, Eva fühlt sich schwerer. Da müsse sich einiges erst wieder legen, außerdem sei der Zeitrahmen zu knapp. „Wir sehen uns nachher an meinem Stand.“

Ideelle Wertschöpf­ung

Warm werden nicht nur die Besucher dank der ganzen Energien, sondern auch das EC-Gerät an so manchem Stand. 27 Euro kostet hier ein Engel-Spray, für das Handlesen dort gibt man 50 Euro aus den selbigen und wer seine Aura in Farbe auf einem Foto haben und erklärt bekommen möchte, sollte 55 Euro investiere­n.

Aber da schnöder Mammon allein noch keinen Menschen glücklich gemacht hat, dürfte der Verlust ein Gewinn sein – quasi. Zum Schluss zwei kostenlose Tipps: „Immer genug Wasser trinken“und „Bäume geben Kraft“.

Nach Energieaus­tausch, interessan­ten Gesprächen und neuen Inspiratio­nen für das Seelenwohl dürfte der Start in die neue Woche bestens funktionie­ren.

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BILD: PIET MEYER Talismane, energetisc­h geladene Kettenanhä­nger und die Blume des Lebens (die größte – vor rotem Hintergrun­d – für knapp 300 Euro) konnten Besucher hier erwerben.

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