Vermögen in Deutschland ungleich verteilt
<chäuble will sich „Rekordbeschäftigung nicht schlechtreden lassen“
BERLIN – Der deutsche Arbeitsmarkt läuft, und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will sich „die Rekordbeschäftigung nicht schlechtreden lassen“. Zudem wird aus seiner Sicht das Problem der Ungleichheit übertrieben dargestellt. „Deutschland wird nicht zunehmend ungleicher“, sagt der Politiker. Der Journalistico-Faktencheck:
Der Minister verweist darauf, dass die sozialversicherungspflichtigen Normalarbeitsverhältnisse in den letzten Jahren am dynamischsten gewachsen und die atypischen Beschäftigungsverhältnisse zurückgegangen seien. Die Einkommensund Vermögensverteilung sei seit zehn Jahren weitgehend stabil. „Die Ungleichheit bei den Einkommen war bis 2005 deutlich angestiegen“, so Schäuble. Danach – also seit der Kanzlerschaft von Angela Merkel – sei die Ungleichheit der Stundenlöhne gesunken. Auch bei den Vermögen sei über die vergangenen zehn Jahre keine Tendenz zu einer verstärkten Vermögenskonzentration am oberen Rand erkennbar.
Tatsächlich ist die mit dem Gini-Koeffizient – einem international anerkannten Maß – berechnete Ungleichheit der Stundenlöhne von Vollzeitbeschäftigten laut Studien zurückgegangen (die nach Leistungsgruppen berechnete Schere ging allerdings auf). Nachdem die Einkommensungleichheit in den 60er und 70er Jahre geschrumpft war, ging es ab den 80er Jahren bergauf, besonders deutlich ab Mitte der 90er Jahre. 2005 erreichte die Ungleichheit einen Nachkriegsrekord – und auf dem liegt sie noch immer, trotz jahrelangem Job-Boom. Der Aufschwung der vergangenen Jahre erreicht die unteren 40 Prozent der Bevölkerung kaum oder nicht.
Schäuble hat recht, innerhalb der Gruppe der G20-Staaten ist die Verteilung in Deutschland relativ gleich. Doch umfasst die G20 auch Länder mit krasser Ungleichheit wie Brasilien, Russland, Mexiko, Südafrika oder die USA. Innerhalb Europas belegt Deutschland laut Untersuchungen dagegen nur einen Mittelplatz – trotz massiver Umverteilung. Dies liegt daran, dass die Markteinkommen sehr ungleich verteilt sind. Deutschland liegt hier gleichauf mit den USA.
Tatsächlich wächst die Ungleichheit bei den Vermögen in letzter Zeit laut Analysen nicht mehr. Allerdings ist diese Ungleichheit in Deutschland enorm groß. Innerhalb Europas kommt nur Litauen auf einen höheren Wert. Den unteren 70 Prozent der deutschen Haushalte gehören nur zehn Prozent des Gesamtvermögens.
Stephan Kaufmann stellt für das Recherche-Team Journalistico.de Politikeraussagen auf den Prüfstand.