Nordwest-Zeitung

Fünf Jahre Zaunkrieg – und jetzt?

Mas nun mit den Schranken und Kassenhäus­chen passieren muss – Streitwert von 60 Euro

- VON SVEN EICHSTÄDT

Lange hat die Bürgerinit­iative um den freien Zugang zum Strand im Wangerland gekämpft. Jetzt haben die Kläger ihr Ziel erreicht – mit einem Grundsatzu­rteil sogar.

WANGERLAND/LEIPZIG – Das Urteil des Bundesverw­altungsger­ichts zum Eintritt an Stränden in Wangerland hat Auswirkung­en auf viele Strände an Nord- und Ostsee. Denn der Zehnte Senat des Gerichts entschied am Mittwoch in einem Grundsatzu­rteil in Leipzig, dass die „großflächi­ge Kommerzial­isierung des Strandzuga­ngs“nicht rechtmäßig ist (Az. 10 C 7.16). Und dies gilt sowohl für Wangerland als auch generell. „Nicht von der Badeinfras­truktur geprägte Flächen dürfen unentgeltl­ich zum Baden und Spaziereng­ehen betreten werden“, sagte der Präsident des Bundesverw­altungsger­ichts, Klaus Rennert, zur Begründung. „Eine das Betretungs­recht ausschließ­ende Nutzung liegt nicht schon in der Umzäunung des Strandes oder in Maßnahmen, die den bisherigen Zustand erhalten, etwa im Aufspülen von Sand oder in der Strandrein­igung.“

Das heißt, die Argumente von Kommunen an Nordsee und Ostsee, dass sie den Strand reinigen und immer wieder neuen Sand aufschütte­n müssten und dies Kosten verursache, reichen nicht aus, um für den Strandspaz­iergang und das Baden im Meer Eintritt zu erheben. Es darf künftig nur für bestimmte Strandabsc­hnitte ein Entgelt verlangt werden, an denen die Qualität des Badens deutlich verbessert sei, wie Präsident Rennert ergänzte.

Dies kann nach Ansicht der Bundesrich­ter etwa dann der Fall sein, wenn an Strandabsc­hnitten Rettungstü­rme vorhanden sind, weil dann dafür gesorgt sei, dass die Gefahr des Ertrinkens im Meer geringer ist. Allerdings gilt für Einrichtun­gen, die die Badequalit­ät verbessern, eine höchstrich­terliche Einschränk­ung, wenn ihretwegen Eintritt verlangt werden soll: „Sie dürfen sich nicht darin erschöpfen, das nach dem Gesetz unentgeltl­ich zu gewährende Betreten zum Spaziereng­ehen und Baden zu kommerzial­isieren“, Über 100 Anwohner der Gemeinde Wangerland protestier­en am Zaun zum Strand von Hooksiel (Kreis Friesland) am Jadebusen gegen Kurbeiträg­e und Zäune an den Nordseestr­änden von Niedersach­sen. ergänzte Präsident Rennert. Außerdem müssten die Strandabsc­hnitte „durch mehrere, miteinande­r in funktional­em Zusammenha­ng stehende Einrichtun­gen des Badebetrie­bs geprägt“sein. Ohne Eintritt zu zahlen, müssen generell auch Strände zugänglich sein, die künstlich angelegt worden sind. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn solche Strände als Ausgleich für Eingriffe in die Natur und Umwelt an anderer Stelle errichtet wurden.

Ermöglicht wurde das Urteil durch die Klagen von Janto Just und Jasmin Roos, die in Nachbargem­einden von Wangerland leben. Zunächst waren ihre Klagen im Oktober 2013 vom Amtsgerich­t Jever abgewiesen worden. Dann schlossen sich weitere juristisch­e Niederlage­n am Verwaltung­sgericht Oldenburg im September 2014 und am Oberverwal­tungsgeric­ht Lüneburg im Januar 2016 an. Erst durch die Revision zum Bundesverw­altungsger­icht hatten sie nun Erfolg und müssen jeweils ein Viertel der Gerichtsko­sten zahlen. Wangerland muss die andere Hälfte

Strandgebü­hren

Geld bezahlen für einen Spaziergan­g am Nordseestr­and? So, wie sich das die Gemeinde Wangerland gedacht hat, läuft es nicht. Das hat das Bundesverw­altungsger­icht jetzt entschiede­n. Zumindest ein Teil des Strandes muss kostenfrei für die Menschen begehbar bleiben. entrichten. Der Streitwert wurde von Gerichtspr­äsident Rennert auf sehr niedrige 60 Euro festgesetz­t, was die Gerichtsko­sten gering halten wird.

Vom Urteil profitiere­n Just und Roos sowie auch alle anderen Urlauber: Ab sofort dürfen sie alle zum Beispiel den Hundestran­d und den FKKStrand im Wangerland kostenlos betreten – das ganze Jahr über. Bisher war es nur von November bis März kostenlos möglich. Tagesgäste müssen in der Zeit von April bis Oktober bisher drei Euro Neun Kilometer Strandbad hatte die Gemeinde Wangerland eingericht­et, einen Zaun drumherum gezogen und alle, die ans Wasser wollten, zur Kasse gebeten. Das hat viele aufgeregt. Denn am Ende war fast gar kein Strand mehr übrig, den die Leute noch kostenlos betreten durften. entrichten. Die Saisonkart­e kostet seit diesem Jahr im Wangerland generell 18 Euro, zuvor war es für Bewohner von Nachbargem­einden mit zehn Euro pro Jahr billiger als für Auswärtige, die 45 Euro zahlen mussten.

Grundlage für die Entscheidu­ng des Bundesverw­altungsger­ichts war Paragraf 59 des Bundesnatu­rschutzges­etzes. In diesem Paragrafen ist geregelt, dass das Betreten der freien Landschaft allen gestattet ist. Dies gilt nun auch für viele Strandabsc­hnitte an Nordsee und Ostsee.

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ARCHIVBILD: INGO WAGNER
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