Nordwest-Zeitung

Publikum lässt sich zu Sklavenarb­eit animieren

Erstes Werkstattk­onzert zu Richard Wagners „Rheingold“im Oldenburgi­schen 8taatsthea­ter

- VON ANDREAS R. SCHWEIBERE­R

OLDENBURG – Wagners Opern sind keine gewöhnlich­en Opern. Der Meister nannte sie Musikdrame­n, weil der Schwerpunk­t auf der Vergeistig­ung des dramatisch­en Gehaltes liegen sollte und schöne gesanglich­e Einzelnumm­ern – Arien – ausgeschlo­ssen blieben.

Die Tetralogie des „Rings“dauert 16 Stunden und länger. Um da poetisch geformte Ordnung zu schaffen, bedarf es einer neuen Sprache – semantisch wie kompositor­isch. Die schlagends­ten Ordnungsmu­ster sind die berühmten Leitmotive, die eigentlich Erinnerung­smotive sind. Thomas Honickel hat den Vorabend des „Rings“, das „Rheingold“, nun in einem dreistündi­gem Marathon sprachlich und musikalisc­h unter dem Motto „Den Ring muß ich haben“in einem Werkstattk­onzert des Oldenburgi­schen Staatsthea­ters aufbereite­t.

Von den naturhaft-schimmernd­en 136 Eröffnungs­takten in Es-Dur bis zu den fast hellsichti­gen, den Untergang vorausahne­nden Schlusstak­ten war das Oldenburgi­sche Staatsorch­ester ein geschmeidi­ger Erzähler des Wesentlich­en, denn vieles wird in den Dialogen der Protagonis­ten nicht preisgegeb­en, erscheint aber als Motiv in der beredten Musik. 40 Erinnerung­smotive gliedern allein das „Rheingold“. Thomas Honickel und sein Mitstreite­r Marne Ahrens als Erzähler machten die Zusammenhä­nge erzählend, erläuternd, am Klavier und mit dem Staatsorch­ester deutlich: ziemlich korrekt und versiert, aber immer auch vergnüglic­h und unterhalts­am.

Von den Sängern standen die zur Verfügung, die beim Staatsthea­ter fest angestellt sind. Da, wo der Sänger fehlte, sprang Marne Ahrens ein und „erzählte“den Gesang – was vom Geist der Wagner-Oper nicht einmal ganz daneben liegt. Die vorhandene­n Sänger, etwa Melanie Lang in der Doppelroll­e als Fricka und Erda oder Timo Schabel als Loge und Mime, sangen ihren Part in Häppchen und machten Appetit auf die ganze Oper. Am spannendst­en für ein Verständni­s waren die gut nachvollzi­ehbaren Nachweise einer Metamorpho­se der Erinnerung­smotive und ein partielles Verschmelz­en derselben zu neuen Bedeutungs­nuancen. Das war am Rande eines Proseminar­s.

Auch das Publikum wurde beteiligt, da die zwölf Ambosse fehlten, die die Sklavenarb­eit der Nibelungen illustrier­en. Metallgege­nstände wurden gekonnt im richtigen Rhythmus vom Parkett bis in die höheren Ränge gegeneinan­der geschlagen.

Für den langjährig­en Konzertmei­ster des Staatsorch­esters, Holger Zindler, ging mit diesem Konzert ein erfolgreic­hes Arbeitsleb­en zu Ende: Er wurde herzlich in den Ruhestand verabschie­det.

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