Nordwest-Zeitung

Medien als Steigbügel­halter der AfD?

Ein -tück -elbstrefle­xion als Folge einer denkwürdig­en Bundestags­wahl

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Es

war der bayerische Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU), der mit einem zornigen Ausbruch am Wahlabend in der TV-Elefantenr­unde einen besonderen Aspekt dieser denkwürdig­en Bundestags­wahl zur Sprache brachte, der die Rolle der Medien beleuchtet­e und den man tunlichst ernst nehmen sollte: „Die Hälfte der Sendezeit beschäftig­t sich nur mit der AfD. Darüber wird in den nächsten Wochen noch zu diskutiere­n sein, in welchem Ausmaß die beiden öffentlich­rechtliche­n Sender massiv dazu beigetrage­n haben, die AfDf nicht klein zu machen, sondern sie groß zu machen“, brach es aus dem gefrustete­n CSU-Politiker heraus.

In der Tat, nurmussman es nicht bei den öffentlich-rechtliche­n Medien belassen, der politische Journalism­us muss sich ganz allgemein die Frage stellen, wie angemessen seine reflexarti­ge Aufgeregth­eit und der daraus resultiere­nde Umgang mit der AfD gewesen ist. Tragen wir, die Journalist­en, tatsächlic­h ein Stück Mitver-

antwortung dafür, dass nunmehr eine zumindest in Teilen rechtsradi­kale Partei erschrecke­nd stark imBundesta­g vertreten ist? Das gilt es aufzuarbei­ten.

Eine Partei, die auf Tabubruch spezialisi­ert ist, hat es mit dieser Strategie zweifellos geschafft, im Verhältnis zu ihrer Bedeutung weitaus mehr Sendezeit im Fernsehen und Platz auf den Zeitungsse­iten zu bekommen als alle anderen Parteien zusammen. Anders gesagt: Gauland & Co. hielten den Medien viele Stöckchen hin, und alle sind brav gesprungen. Die AfDf gab die monokausal­e Thematik vor, sie beherrscht­e die Medienland­schaft. Daraus gilt es für die künftigen vier Jahre Bundestag zu lernen. Denn dort wird sich das Klima deutlich ändern, dort wird die AfD versuchen, diese Erfolgsstr­ategie fortzusetz­en. Der Umgangston wird ein anderer werden, und wir werden erleben, wie fast alle politische­n Problemfel­der automatisc­h mit der Einwanderu­ngsproblem­atik verknüpft werden.

Da eine angemessen­e Berichters­tattung zu finden, wird nicht einfach sein, will man sich nicht ständig dem Vorwurf der Zensur aussetzen. Denn die AfD wird weiter versuchen, sich als Opfer einer Koalition von Medien und Politik-Establishm­ent zu inszeniere­n. Wir Journalist­en sind aufgerufen, nun besonders sorgsam mit Sprache umzugehen, nicht automatisc­h Sprachrege­lungen und -schöpfunge­n der AfD (und auch der anderen Parteien!) zu übernehmen. Nur dann kann es gelingen, wirklich wichtige Inhalte zu thematisie­ren, statt sich ungewollt zum Handlanger eines erbärmlich gehaltlose­n Rechtspopu­lismus zu machen.

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Haselier. Der 62 Jahre alte Redakteur schreibt regelmäßig über innenpolit­ische Themen.
Autor dieses Beitrages ist Thomas Haselier. Der 62 Jahre alte Redakteur schreibt regelmäßig über innenpolit­ische Themen.

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