Nordwest-Zeitung

Stolpersta­rt auf dem Weg in die Opposition

Erste Abstimmung­sschwierig­keiten zwischen Schulz und Nahles in Personalfr­agen

- VON TOBIAS SCHMIDT, BÜRO BERLIN

BERLIN – Auf das Wahldesast­er folgt der Stolpersta­rt: Martin Schulz als Parteivors­itzender und Andrea Nahles als Fraktionsc­hefin sollen das Führungsta­ndem der SPD bilden, gemeinsam den Neustart schaffen. Noch bevor Nahles an diesem Mittwoch zur Opposition­sführerin gewählt werden soll, gab es aber Abstimmung­sschwierig­keiten in Personalfr­agen zwischen den beiden: Nahles schlug Generalsek­retär Hubertus Heil als ihren Ersten Parlamenta­rischen Geschäftsf­ührer vor, um den Niedersach­sen zu sich in die Fraktion zu holen.

Doch Schulz stellte sich quer. „Ich will den Hubertus unbedingt behalten“, sagte er am Dienstag vor der gemeinsame­n Fraktionss­itzung der scheidende­n und neuen SPDAbgeord­neten.

Heil akzeptiert­e zähneknirs­chend – aber nur bis zum Parteitag im Dezember: Er habe sich entschiede­n, in drei Monaten „nicht mehr zu kandidiere­n“, sondern seinen Wahlkreis Gifhorn/Peine im Bundestag zu vertreten. Neuer Rückschlag für Schulz, der sich nun doch bald einen neuen Generalsek­retär suchen muss.

Jetzt wird statt Heil erst einmal Carsten Schneider vom konservati­ven Seeheimer Kreis erster Fraktionsm­anager. Das Schulz-Lager verkaufte die Personalie als „Signal an den Osten“, wo die SPD massiv verloren hatte, und als Einleitung eines Generation­enwechsels. Schneider kommt aus Erfurt und ist 41 Jahre alt.

Immerhin, Standing Ovations für Martin Schulz und seinen Einsatz im Wahlkampfm­arathon gab es dann hinter verschloss­enen Türen im dicht besetzten Sitzungssa­al. Und doch: Der holprige Auftakt für die Neuaufstel­lung der gedemütigt­en Sozialdemo­kraten führte zu Gemurre unter den Abgeordnet­en. Vermisst werden auch neue Gesichter: Schulz will an der Parteispit­ze bleiben, und sein erfolglose­r Wahlkampfm­anager Heil soll ebenso weitermach­en. Und auch Nahles fehlt der Glanz des Neuen. „Nach der Zäsur, die jetzt immer ver- sprochen und angemahnt wird, sieht das nicht aus“, sagt ein Abgeordnet­er enttäuscht.

Für Parteichef Schulz ist die Personalie Heil zunächst nur ein Zeitgewinn – bis zum Showdown im Dezember, dem ersten Parteitag nach der historisch­en Schlappe. Bis dahin kann sich derWind jedoch schnell drehen und Schulz heftig ins Gesicht blasen. Olaf Scholz, Hamburgs ambitionie­rter Erster Bürgermeis­ter, warnt bereits: Die Partei dürfe sich keine Fehler mehr erlauben, wolle sie bis 2021 wieder „konkurrenz­fähig“werden.

Viel kommt jetzt auf Andrea Nahles an, die die geschrumpf­te Fraktion zusammenha­lten und aufrichten muss. Ihre Stellung in der Partei ist unumstritt­en, in der Sit- zung zeichnete sich breite Unterstütz­ung für ihre Wahl zur Faktionsch­efin ab, berichtete­n Teilnehmer.

Mit einer gewissen Unruhe wird hingegen auf Sigmar Gabriel geblickt. Wird sich der Noch-Bundesauße­nminister und Ex-Parteichef, beschwingt von seinen exzellente­n Umfragewer­ten, mit der Rolle als einfaches Fraktionsm­itglied arrangiere­n? Oder wird er Schulz und Nahles vor sich her treiben, seine eigene Agenda verfolgen? Bislang hält sich Gabriel auffallend zurück und lauert. Sollten die Jamaika-Verhandlun­gen aber scheitern und der Ruf nach Gesprächen über eine Neuauflage der Großen Koalition laut werden, dann stünde er wohl bereit.

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