Nasses Grab für 80 deutsche Seeleute
Am 29. -eptember 1957 endete die -uche nach Überlebenden der „Pamir“-Havarie
Der Untergang des -egelschulschiffes war damals eine nationale Katastrophe. Er beendete auch eine Ära.
HAMBURG/CUXHAVEN – Eine Woche lang suchten sie unverdrossen und mit Hoffnung bis zum letzten Tag. Der kam dann am 27. September 1957: Sieben Tage nach dem verheerenden Untergang des deutschen Segelschulschiffes „Pamir“stellten die Retter im aufgepeitschten Atlantik die Suche nach Überlebenden ein. 80 Seeleute, darunter 45 Kadetten im Alter von 16 bis 18 Jahren, fanden damit endgültig im Ozean ihr nasses Grab. Nur sechs Matrosen überlebten die schwerste deutsche Schiffskatastrophe der Nachkriegszeit, die Deutschlandmehr beschäftigt hat als kaum eine andere Havarie.
Hans J. Ryszewski aus Cuxhaven, Oberstabsbootsmann der Reserve, erinnert sich noch gut an den Schock, den der Untergang in der Öffentlichkeit auslöste: „Das war damals eine nationale Katastrophe. Die Menschen hingen an den Radios, um keine Neuigkeit von der Rettungsaktion zu verpassen.“Der Untergang der Viermastbark, die in das Zentrum des Hurrikans „Carrie“geraten war, sei aus vielen Gründen von besonderer Be-
deutung gewesen. Die siebentägige Suche in einem vom Orkan aufgewühlten Ozean sei schon ungewöhnlich gewesen. Auch die Aufarbeitung des Dramas auf See vor dem Seeamt in Lübeck fünf Monate nach dem Untergang war überaus umstritten. Kontrovers diskutiert wurde unter anderem auch die Frage, warum die „Pamir“überhaupt direkt in den 600 Seemeilen südlich der Azoren tobenden Hurrikan steuerte. Das Amt
kam nach zehn Verhandlungstagen, angefüllt mit vielen Widersprüchen, zu dem Schluss, dass vor allem Fehler der Mannschaft und der Schiffsführung zu der Katastrophe geführt haben. So sei der Tieftank zur Stabilisierung des Schiffes nicht geflutet gewesen. Auch die Ladung sei nicht unverrutschbar gestaut gewesen. Und: „Die Aufbauten waren nicht wasserdicht. Elf oder zwölf Segel standen hart abgebrasst am Wind. halb trotz des schnellen Anlaufs der Rettungsaktionen nur so wenig Seeleute – es waren nur sechs – gerettet werden konnten. Das Schiff sank sehr schnell, viele der Besatzungsmitglieder ertranken, als die „Pamir“kenterte und die Seeleute von Deck ins Wasser stürzten.
Zudem sollen mehrere Besatzungsmitglieder im Schiff geblieben oder beim Kentern unter das Schiff geraten sein. Etwa fünf Seeleute kletterten nach dem Kentern auf den Rumpf, vermutlich im Glauben, dass das Schiff nicht sinken könne. Andere Seeleute verwickelten sich im Tauwerk und wurden von der „Pamir“unter die Wasseroberfläche gerissen.
Der Untergang besiegelte das endgültige Ende der frachttragenden Segelschulschiffe. „Er hätte auch ganz das Ende der Segelschulschiffe sein können, das wurde damals durchaus diskutiert“, sagt Ryszewski. Doch die Marine entschied anders. Trotz des Unglücks wurde 1958 bei Blohm & Voss das Segelschulschiff „Gorch Fock“auf Kiel gelegt, das bis heute der Marine als Segelschulschiff dient. Hans J. Ryszewski