Stolberg hofft auf Entlastung
Verteidigung will Kreditbetrugs-Vorwurf mit Gutachten aushebeln
Der Mammutprozess wird an diesem Mittwoch fortgesetzt. Die Anwälte von Ex-Reeder Niels 5tolberg zielen auf eine Bewährungsstrafe für ihren Mandanten ab.
OLDENBURG/BREMEN – In dem seit Januar 2016 andauernden Mammutprozess um den Zusammenbruch der Bremer Beluga-Werft erhofft sich der angeklagte Ex-Reeder Niels Stolberg an diesem Mittwoch ein Stück Entlastung vom Vorwurf des Kreditbetrugs. Vor der Großen Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Bremen geht es unter anderem um ein Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO, das Stolbergs Verteidiger dem Gericht vorgelegt haben.
Es wird erwartet, dass die Kammer zu dem Papier Stellung beziehen wird. Inhaltlich geht es darum, dass mit dem Gutachten untermauert werden soll, warum nach Ansicht der Verteidigung der Vorwurf des Kreditbetrugs in demVerfahren zusammengebrochen sei. Das Stolberg-Lager ist zuversichtlich, dass es möglich sei, demGericht die Sichtweise der Verteidigung nahezubringen.
Das war den Anwälten im bisherigen Verlauf des Verfahrens noch nicht ausreichend gelungen, so dass die imSommer vorgenommene Zwischenbilanz des Prozesses nicht zur Zufriedenheit Stolbergs und seiner Anwälte ausfiel. Nach einer vorläufigen Bewertung der bisherigen Verhandlungsergebnisse war das Gericht zu dem Ergebnis gekommen, dass Stolberg mit einer Haftstrafe rechnen müsse, die deutlich über der Grenze von zwei Jahren liegt. Eine solche Strafe kann dann nicht mehr zur Bewährung ausge-
setzt werden. Stolbergs Anwälte setzen sich indes für eine Bewährungsstrafe ihres Mandanten ein.
Da die Vorstellungen von Kammer und Verteidigung am Ende der Zwischenbilanz so weit auseinander lagen, ist mit keinem schnellen Ende des Verfahrens zu rechnen. Vielmehr hat jetzt ein zähes
Ringen um alle Einzelaspekte des umfangreichen Falles begonnen. Dazu gehört auch die Ladung weiterer Zeugen, die vor Gericht aussagen sollen.
Einer von ihnen ist Stolbergs damaliger Steuerberater Hermann Neemann, der als Ideengeber und Steuermann vieler Finanzoperationen der Beluga-Reederei gilt. Bisher war er nicht als Zeuge geladen worden, weil auch gegen ihn im Zusammenhang mit dem Beluga-Zusammenbruch ermittelt wurde. Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft Anklage gegen Neemann erhoben – und zwar wegen Beihilfe zum Kreditbetrug. Deshalb soll er im Stolberg-Prozess auch nur zu solchen Fragen gehört werden, bei denen er sich nicht selbst belasten muss.
Insgesamt haben sich der inzwischen in Oldenburg lebende Stolberg sowie drei weitere angeklagte Manager der Beluga-Reederei wegen Kreditbetrug, Untreue, Bilanzfälschung und Betrug zu verantworten. Während die Vorwürfe in Sachen Bilanzfälschung und geschönter Auftragsbücher von den Angeklagten eingeräumt wurden, setzen sich Stolberg und seine Verteidiger vehement gegen die Vorwürfe Kreditbetrug, Betrug und Untreue zur Wehr.
Seit Anfang des Jahres ist der Verhandlungsablauf durch eine schwere Krebserkrankung Stolberg beeinträchtigt. Der Ex-Reeder musste sich inzwischen mehreren Operationen unterziehen. Als Folge der angeschlagenen Gesundheit können die einzelnen Verhandlungstermine nicht mehr so lange wie in der Anfangsphase des Prozesses dauern. Nach spätestens einer Stunde einschließlich einer 15-Minuten-Pause müssen die einzelnen Verhandlungstermine beendet werden. Unter diesen Umständen kann derzeit niemand vorhersagen, wie lange das Gesamtverfahren dauern wird.
Für die drei Mitangeklagten stellt diese Verhandlungsdauer eine besondere Belastung dar. Deshalb müssen sie nicht mehr zu jedem Termin erscheinen, sondern nur noch, wenn es umDinge geht, die sie konkret selbst betreffen.